Zum Andenken an eine Jubilarin: Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach
Grit Jacobs, Leiterin der Sammlungen, widmet ihr Lieblingsobjekt des Monats April 2024 dem Andenken an Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach: „In diesen Tagen jährt sich der Geburtstag von Großherzogin Sophie zum 200. Mal. Durch ihr Wirken war und ist sie nicht nur für Weimar, sondern auch für die Wartburg eine bedeutende Persönlichkeit. Die Gemahlin von Großherzog Carl Alexander weilte gern auf der Burg, und sie stiftete zahlreiche Kunstwerke, die heute zu den kostbarsten der Kunstsammlung gehören.“
Wenn man den Spuren der Jubilarin auf der Wartburg folgen möchte, kommt das einer Zeitreise ins 19. Jahrhundert gleich, denn viele Begebenheiten überliefert uns der wohl wichtigste Zeitzeuge mit seinen Tagebucheinträgen und Zeichnungen – der Wartburgkommandant Bernhard von Arnswald. So nimmt er uns etwa mit zu einem Sommerabend im Jahr 1857, an dem die großherzogliche Familie der Burg ihrer Ahnen wieder mal einen Besuch abstattete. Die Bauarbeiten am großen Bergfried näherten sich gerade dem Ende, im großen Festsaal hatte der Maler Michael Welter mit seinen Malereien begonnen. Kaum angekommen, eilten die Herrschaften in den Palas um die Fortschritte zu begutachten. Sophie betrachtete Welters Malereien, die die Ausgestaltung des großen Saals im romanischen Stil vervollkommnen sollten: „In der Tat, es ist auch uns, als ob es so u. nicht anders gewesen sein könnte“, stellte sie bewundernd fest. Nachdem man gemeinsam den Blick vom Balkon an der Südseite genossen hatte, wurde der Tee im Kommandantengarten serviert. „Die Sonne ging glühend unter,“ erinnerte sich der Kommandant an den Abend, an dem unten in den Tälern die Nebel aufstiegen, während man auf der Burg noch „die herrliche Wärme“ genießen konnte. Die Stimmung war so ungezwungen, dass nicht nur Bernhard von Arnswald sang und sich auf der Zither begleitete, sogar Sophie trug italienische Lieder vor und griff selbst zum Instrument. Die Gesellschaft gruselte sich wohlig bei Gespenstergeschichten und glaubte sogar Spukerscheinungen zu sehen. Zu später Stunde musste man, wenn auch ungern, für dieses Mal die Burg verlassen.
Doch 1857 kehrte das großherzogliche Paar sogar noch zweimal für einen mehrwöchigen Aufenthalt wieder. Das sogenannte Hoflager war in den damals noch beengten Verhältnissen der Burg eine logistische Meisterleistung. Sophie und Carl Alexander logierten in den drei Räumen neben der Lutherstube in der Vogtei, denn erst 1859 konnten sie in die großherzogliche Wohnung in der eigens erbauten Neuen Kemenate übersiedeln. Auch der gesamte Hofstaat musste untergebracht werden. Alle bewohnbaren Räume der Burg wurden mit Hofdamen, mit Kammer- und Silberdienern, dem Koch und zahlreichen weiteren Hofchargen und -bediensteten belegt. Mehrere vierspännige Wagen brachten Mobiliar, Geschirr und andere praktische Dinge aus dem Eisenacher Schloss und aus der Residenz in Wilhelmstal auf die Burg. In einer Fuhre befanden sich sogar zwei Papageien. Sie gehörten der Großherzogin, die eines Abends einen zum abendlichen Diner mitbrachte. Sonst waren die exotischen Vögel häufig beim Kommandanten, der berichtete, dass der eine gern sich auch an den angeregten Gesprächen mit dem Großherzog beteiligte.
Ob während der Hoflager oder bei den Kurzbesuchen, wenn nicht gerade die gekrönten Häupter Europas die Wartburg besuchten, ging es meist weniger förmlich als bei Hofe zu. Sophie und Carl Alexander konnten hier relativ frei von höfischen Konventionen auch mit Künstlern und Literaten verkehren. Zu ihnen gehörten Ludwig Bechstein, Fritz Reuter, Franz Liszt und Joseph Victor von Scheffel – um nur einige zu nennen. Während seiner Zeit auf der Burg porträtierte Moritz von Schwind das großherzogliche Paar und andere Mitglieder der Hofgesellschaft und hinterließ so ein bislang wenig bekanntes, sehr anmutiges Bildnis der Fürstin.
Carl Alexander und Sophie konnten auch ihren Interessen nachgehen: Während er häufig zur Jagd aufbrach, besuchte sie Eisenach und die umliegenden Orte und besichtigte dort Schulen und Wohltätigkeitseinrichtungen. Besonders liebte sie es, mit ihren Kindern ausgedehnte Spaziergänge im Wald um die Wartburg zu machen. Es kam sogar vor, dass sie sich Blasen lief; also wurde die Partie am nächsten Tag mit dem Maultier unternommen.
Für die Erneuerung der Wartburg hat sich Großherzogin Sophie nicht nur lebhaft interessiert, sie hat auch an der Ausgestaltung der Räume großen Anteil genommen. So finanzierte sie beispielsweise den mit Malereien und Schnitzereien aufwändig gestalteten „Minnesängerschrank“, der im Salon von Carl Alexander stand. Als eines der repräsentativsten historistische Möbelstücke seiner Zeit ist er heute im Sängersaal des Palas zu bewundern. Für die Ausstattung der Wartburgkapelle hat Sophie eigenhändig Kissen bestickt, den Kanzelbehang und – gemeinsam mit sieben Damen des großherzoglichen Hauses – den goldenen Altarbehang gestiftet. Das Antependium kann heute im Museum der Wartburg besichtigt werden.
Dort stößt man auf zahlreiche Kunstwerke, die die Sammlung der Großherzogin verdankt. Dazu gehören etwa die Leuchterengel von Tilman Riemenschneider, ein Porträt Landgraf Philipps von Hessen oder auch ein kostbarer Teppich, der Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth erzählt. Da Sophie all diese Objekte ihrem Gatten verehrte, war sie wohl nie um ein Weihnachtsgeschenk verlegen.
Die zwei größten Präsente – das Pirckheimer Stübchen und der Nürnberger Erker – sind heute in der Oberen Vogteistube in unmittelbarer Nachbarschaft zur Lutherstube zu bestaunen. Ab dem 8. April, Sophies Geburtstag, wird dort eine Kabinettpräsentation an das Leben und Wirken der Großherzogin auf der Wartburg erinnern. Auch in Weimar wird das Jubiläum mit vielfältigen Veranstaltungen, Konzerten, Vorträgen und Ausstellungen begangen. Einen Überblick und viele Informationen gibt es unter weimar.de/sophie.
Der Palas und das Museum der Wartburg mit den zahlreichen Erinnerungen an die Großherzogin sind zu den Öffnungszeiten zu besichtigen.
Bildunterschriften und -nachweise:
Abb. 1 Porträt der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Moritz von Schwind, 1854/55, Graphit, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G2704
Abb. 2 Sophie und Carl Alexander, Ludwig Bechstein, Bernhard von Arnswald und Hugo von Ritgen auf der Wartburg beim Tee in der Vogtei, Bernhard von Arnswald, 1849, Graphit, Feder, Pinsel in Braun und Grau, laviert, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G3891
Abb. 3 Partie von Großherzogin Sophie und ihren Kindern zur Herzogsbank am Hollunder, Bernhard von Arnswald, um 1860, Graphit, Pinsel in Braun, Blau und Grau, laviert, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G1673
Abb. 4 Teestunde in der großherzoglichen Wohnung der Wartburg, Bernhard von Arnswald, nach 1860, Graphit, Pinsel in Braun, laviert, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G3314
Abb. 5 Salon des Großherzogs mit dem Minnesängerschrank im Obergeschoss der Neuen Kemenate der Wartburg, Königlich Preußische Meßbildanstalt, 1897/1898, Platinabzug, Wartburg-Stiftung, Fotothek Map_07_282
Abb. 6 Die Kapelle der Wartburg mit Festtagsschmuck, Postkarte, Anfang 20. Jh., Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 652