„Von der Wartburg 1000 herzinnige Grüße“. Postkarten aus der Zeit um 1900

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Dorothee Menke, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Wartburg-Stiftung, stellt ihr(e) Lieblingsobjekt(e) des Monats Februar vor:

„In Zeiten, in denen die meisten Menschen mit Freunden und Bekannten vor allem über Messenger-Dienste auf dem Mobiltelefon kommunizieren, freut man sich doch umso mehr, wenn eine handgeschriebene Postkarte den Weg in den heimischen Briefkasten gefunden hat. Um 1900 waren Postkarten dagegen allgegenwärtig und als Kommunikationsmittel fast unersetzlich. Einige besonders schöne Beispiele mit Wartburgansichten werden hier vorgestellt.“

Galerie

  • Abb. 1: Postkarte „Die Wartburg von Süd-West“ vom 20.7.1899, Carl Jagemann
    Abb. 1: Postkarte „Die Wartburg von Süd-West“ vom 20.7.1899, Carl Jagemann
  • Abb. 2: Postkarte „Eisenach. Wartburg. Eingang zur Restauration“, um 1900, Louis Glaser
    Abb. 2: Postkarte „Eisenach. Wartburg. Eingang zur Restauration“, um 1900, Louis Glaser
  • Abb. 3: Verschneiter zweiter Burghof der Wartburg nach Süden, Postkarte, nach 1910, Fotograf: Hans Lucas von Cranach
    Abb. 3: Verschneiter zweiter Burghof der Wartburg nach Süden, Postkarte, nach 1910, Fotograf: Hans Lucas von Cranach
  • Abb. 4: Postkarte „Gruß von der Wartburg“, abgestempelt am 12.3.1897, C. Jacobsen’s Kunstanstalt
    Abb. 4: Postkarte „Gruß von der Wartburg“, abgestempelt am 12.3.1897, C. Jacobsen’s Kunstanstalt
  • Abb. 5: Postkarte „Eisenach. Burghof in der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906, Kunstanstalt Karl Braun
    Abb. 5: Postkarte „Eisenach. Burghof in der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906, Kunstanstalt Karl Braun & Co.
  • Abb. 6: Postkarte „Eisenach. Die Lutherstube auf der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906(?), Kunstanstalt Karl Braun
    Abb. 6: Postkarte „Eisenach. Die Lutherstube auf der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906(?), Kunstanstalt Karl Braun & Co.

1870 in Deutschland als „Correspondenz-Karte“ eingeführt und anfänglich von Kritikern als „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ geschmäht, trat die Postkarte schon bald ihren Siegeszug auf der ganzen Welt an. Spätestens seit Einführung der mit Sehenswürdigkeiten versehenen Ansichtskarte in den 1880er Jahren boomte das Medium: So wurden im Jahr 1900 im Deutschen Reich etwa 440 Millionen Ansichtskarten verschickt. Zunächst blieb wenig Platz für persönliche Nachrichten, da die gesamte Rückseite für das Adressfeld bestimmt war und man so die Ansichtsseite zur Beschriftung nutzen musste. Erst 1905 setzte sich mit der Teilung der Rückseite in das Adressfeld rechts und das Textfeld links das heute noch übliche Aussehen durch.

Auch von der Wartburg wurde der hohen Nachfrage mit einer umfangreichen Ansichtskartenproduktion Rechnung getragen: Unzählige Motive in Farbe und Schwarzweiß aus dem Innen- und Außenbereich der Burg sind überliefert, von denen ein kleiner Teil Eingang in die Sammlung der Wartburg-Stiftung gefunden hat (Abb. 1). Hier finden sich mehr als tausend beschriebene und unbeschriebene Postkarten. Sie stammen überwiegend aus der Zeit von 1890 bis in die 1950er/1960er Jahre. Wie eine Postkarte aus der Zeit um 1900 zeigt, wurden im Vorhof des Wartburg-Gasthofs sowohl Eintrittskarten und Souvenirs als auch Ansichtskarten mit unterschiedlichen Burgmotiven verkauft (Abb. 2). Mit Hans Lucas von Cranach wurde im Jahr 1894 ein talentierter Amateurfotograf zum Burghauptmann berufen, der bald mit seinen eigenen Fotografien der Burg in die durchaus profitable Postkartenproduktion einstieg (siehe hierzu auch das Objekt des Monats Juli 2023). Seine seit 1908 angefertigten Farbfotos (Autochrome) trieben den Absatz weiter in die Höhe (Abb. 3). Durch Cranachs Tageblatt-Aufzeichnungen sind wir erstaunlich gut über das Ausmaß des Postkartenversands vom 1880 eingerichteten Postamt im Wartburg-Gasthof unterrichtet: „Um einen Maßstab für den hiesigen Verkehr zu haben, fragte ich die hiesige Post nach der Zahl der vom 1. April bis 1. August [1896] abgesendeten Postkarten, dieselbe beträgt 51.617“, so Cranach am 8. August 1896. Durchschnittlich wurden in dieser Zeit also fast 420 Postkarten täglich verschickt, was der Burghauptmann als „eine ganz annehmbare Zahl“ wertet. In der Hauptsaison (April bis August) der Jahre 1896 und 1897 wurden im Durchschnitt zwischen 300 und 1000 Karten pro Tag versendet. Der Höhepunkt lag in den zwei Jahren an den beiden Pfingstfeiertagen mit je etwa 2700 verschickten Exemplaren! Zum Vergleich: Im August 1896 besuchten durchschnittlich 500 zahlende Gäste pro Tag die Burg.

Aus der Vielzahl der in der Sammlung erhaltenen beschriebenen Ansichtskarten sollen nur einige wenige herausgegriffen werden, die besonders zum Schmunzeln anregen. So kann man sich lebhaft die Umstände der Entstehung einer am 12. März 1897 abgestempelten Karte ausmalen, die zwei Freunde an einen dritten schreiben. In offenbar wein- oder bierseliger Laune im Gasthof der Wartburg sitzend monieren sie, dass dieser nicht zugegen sei: „Wollen Scat spielen, fehlt der dritte Mann!“, und verbinden dies mit der Aufforderung „Komm schleunigst her […] Alter Vergnügungsbold“ (Abb. 4).

Vier offenbar alle am selben Tag, dem 5. März 1906, verschickte Postkarten zeugen von großer Sehnsucht und Verliebtheit: So versichert ein J. seiner Angebeteten namens Jenny: „Meine Gedanken sind bei dir!“, und auf einer weiteren Karte schreibt er: „Mein Liebling! Von der Wartburg 1000 herzinnige Grüße“ (Abb. 5). Der absolute Liebesbeweis wird allerdings auf der vierten Karte erbracht: „Liebe Jenny! Ich tue alles für dich. Wenn du willst, bringe ich dir den Mammutknochen aus Luthers Bude. Gruß über Gruß! Dein J.“ (Abb. 6).

Wenn auch heute die Bedeutung der Handschrift im Vergleich zur Zeit um 1900 stark im Schwinden begriffen ist, ist die Postkarte eines der wenigen Medien, das diese noch konserviert und das sich gegen zunehmende digitale Konkurrenz vorerst noch behauptet: Im Jahr 2019 gaben immerhin 55 % der Deutschen an, aus dem Urlaub noch Postkarten zu versenden. Die Erfolgsgeschichte geht also weiter, auch auf der Wartburg, wo Ansichtskarten immer noch gerne gekauft werden…

Bildunterschriften und -nachweise:

Abb. 1 Postkarte „Die Wartburg von Süd-West“ vom 20.7.1899, Carl Jagemann, Eisenach, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 749

Abb. 2 Postkarte „Eisenach. Wartburg. Eingang zur Restauration“, um 1900, Louis Glaser, Leipzig, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 765

Abb. 3 Verschneiter zweiter Burghof der Wartburg nach Süden, Postkarte, nach 1910, Fotograf: Hans Lucas von Cranach, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 278

Abb. 4 Postkarte „Gruß von der Wartburg“, abgestempelt am 12.3.1897, C. Jacobsen’s Kunstanstalt, Altenburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 767

Abb. 5 Postkarte „Eisenach. Burghof in der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906, Kunstanstalt Karl Braun & Co., München, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 1083

Abb. 6 Postkarte „Eisenach. Die Lutherstube auf der Wartburg“, abgestempelt am 5.3.1906(?), Kunstanstalt Karl Braun & Co., München, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. 1084

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