Sapi-portugiesischer Olifant, Sierra Leone Elfenbein geschnitten, frühes 16. Jh., Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung

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Sapi-portugiesischer Olifant, Sierra Leone
Sapi-portugiesischer Olifant, Sierra Leone

Dr. Grit Jacobs, wissenschaftliche Leiterin, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Juni vor:

„Im Wartburgmuseum ist ein außergewöhnliches Jagdhorn ausgestellt, das in einer europäischen Kunstsammlung auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich erscheint. Der sog. Olifant wurde im frühen 16. Jh. im westafrikanischen Sierra Leone für portugiesische Auftraggeber geschaffen. Dass dieses faszinierende Objekt zu einer kleinen Gruppe sapi-portugiesischer Olifanten gehört, war bis vor Kurzem sogar den Experten für afrikanische Elfenbeine unbekannt.“

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  • Sapi-portugiesischer Olifant, Sierra Leone
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Die im 19. Jahrhundert von Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach begründete Kunstsammlung der Wartburg verwahrt neben Gemälden, Plastiken und Textilien einen reichen Bestand an Objekten des Kunsthandhandwerks. Zu der relativ kleinen, aber sehr hochkarätigen Gruppe von Elfenbeinen des 13. bis 19. Jahrhunderts gehört etwa ein Minnekästchen aus der Zeit um 1440, das sehr wahrscheinlich in Venedig geschaffen wurde. Zu den Elfenbeinen, die einen direkten Jagdbezug aufweisen, gehört neben einem Pulverhorn, einer Zündkrautflasche und reich verzierten Dolchen auch der Olifant. Er ist circa 60 cm lang und in drei Hauptabschnitte gegliedert, in denen Jagdszenen mit tatsächlichen existierenden und phantastischen Tieren in Flachrelief geschnitten sind. Mit Lanzen bewaffnete Jäger und ihre Jagdhunde und sogar ein mit einer Armbrust bewaffneter Zentaur stellen Hasen, Vögeln und Hirschen nach. Daneben erkennt man ein Einhorn, eine Harpye und einen indischen Jagdelefanten. Den gesamten Korpus umläuft ein Schriftband mit der lateinischen Inschrift „Da pacem, Domine, in diebus nostris“ (Gib Frieden, o Herr, in unseren Tagen).

Als der Münchener Kunstkenner Carl Friedrich Förster 1869 den Olifanten der Wartburg zum Geschenk machte, tat man sich noch schwer, die außergewöhnliche Mischung von exotischen und phantastischen sowie christlich-europäischen Motiven zu deuten, weshalb das Stück als „Jagdhorn in Elfenbein aus dem 12. Jahrh.“ ausgewiesen wurde. Tatsächlich waren sogenannte „sarazenische“ (besser: siculo-arabische) Olifanten bereits im Mittelalter bekannt. Der weittönende Klang eines solchen Signalhorns wurde schon im altfranzösischen Rolandslied des 11. Jahrhunderts eindrucksvoll geschildert. Als Symbole von hochadliger Ritterkeit und Heldenmut waren die Olifanten begehrte Objekte in den europäischen Kunstkammern und wurden in Form von kunstvollen Schmuckstücken auch als Anhänger getragen. Dass die Bildwelt des Wartburg-Olifanten mit den mittelalterlichen Hörnern jedoch gar nichts zu tun hatte, sondern nach Afrika und Porutgal verwies, erkannte ein Forscher erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Als Wissenschaftler in den 1980er Jahren begannen, die sapi-portugiesischen Elfenbeine in bedeutenden europäischen und amerikanischen Sammlungen zu untersuchen, blieb das Exemplar auf der Wartburg schlicht unentdeckt. Erst im vergangenen Jahr konnte ein portugiesischer Spezialist auf den Olifaten aufmerksam gemacht werden, der die Bedeutung des hiesigen Stücks herausstellte und  in Fachkreisen bekannt machte.

Der Olifant der Kunstsammlung ist als Teil der Dauerausstellung im Wartburg-Museum zu besichtigen. Die neuesten Forschungen werden in Kürze im Wartburg-Jahrbuch 2018 nachzulesen sein.

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