Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg Hans Lucas von Cranach, 12.10.1904, Glasnegativ, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. PI_01_0716_C

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Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg
Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg

Rainer Salzmann, Fotograf und Mitarbeiter der Fotothek, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats März 2023 vor:

„Wenn man sich diese Fotografie anschaut, fühlt man sich in die Vergangenheit versetzt, als die Ritter noch hoch zu Ross in die Wartburg eingeritten sind. Ganz nebenbei bekommt man das Gefühl, dass für den Fotografen Hans Lucas von Cranach neben der ernsthaften Arbeit an der Burg und ihren Schätzen auch der Spaß nicht zu kurz gekommen ist.“

Galerie

  • Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg
    Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg
  • Fotoaufnahmen für „Die Waffen der Wartburg“ im Rüstsaal der Dirnitz
    Fotoaufnahmen für „Die Waffen der Wartburg“ im Rüstsaal der Dirnitz
  • Hans Lucas von Cranach in Rüstung mit Mönch, Ritter und Pudel Mohr vor der Ritterhausdiele der Wartburg
    Hans Lucas von Cranach in Rüstung mit Mönch, Ritter und Pudel Mohr vor der Ritterhausdiele der Wartburg
  • Turnier- und Rossharnisch Herzog Johann Wilhelm II. von Gotha
    Turnier- und Rossharnisch Herzog Johann Wilhelm II. von Gotha

Hans Lucas von Cranach war von 1894 bis zu seinem Tod 1929 der Burghauptmann der Wartburg. Der talentierte Fotograf hat eine große Zahl an Glasnegativen und Abzügen hinterlassen, die heute wertvolle Dokumente der Wartburg in dieser Zeit sind. Seit seinem Dienstbeginn hat sich Cranach auch intensiv mit der Rüstsammlung der Wartburg auseinandergesetzt. Er hat nach Fachleuten gesucht, die sich zum einen um die konservatorische Betreuung der wertvollen Ross- und Reiterharnische, Schilde, Fahnen und zahlreichen Waffen kümmerten. Zum anderen war er auf der Suche nach Waffenspezialisten, die ein für alle Mal mit den abenteuerlichen Deutungen der Rüstungen Schluss machten. Obwohl es längst bekannt war, dass die ältesten Stücke der Sammlung aus dem 15. Jahrhundert stammen, wurden die Harnische nämlich immer noch den mittelalterlichen Landgrafen von Thüringen angedichtet. In Alfons Diener-Schönberg hat Cranach diesen Spezialisten gefunden. 1912 ist ein vollständiger Katalog der Rüstsammlung erschienen. Hans Lucas von Cranach hat sämtliche Fotografien der 78 Tafeln mit 231 Waffen- und 116 Schmiedemarkenabbildungen geschaffen. „Die Waffen der Wartburg“ galt sofort als Standardwerk, sowohl wegen der genauen waffenkundlichen Beschreibungen als auch wegen der außerordentlich guten Qualität der fotografischen Aufnahmen. Heute hat das Buch noch einen ganz anderen Wert: Die Rüstsammlung der Wartburg wurde 1946 als Beutekunst in die Sowjetunion abtransportiert und gilt bis auf wenige Teile als verschollen. Würde sie aber wieder auftauchen, könnte man mit diesem Buch und seinen Abbildungen jedes Stück problemlos identifizieren.

Sein Einsatz für die wissenschaftliche Bearbeitung und Dokumentation der Rüstsammlung der Wettiner hat den Burghauptmann übrigens nicht davon abgehalten, auch seiner humorvollen und romantischen Ader genug Raum zu geben. Als großer Fan von Kostümfesten, die er in den 1890er Jahren hier auf der Wartburg veranstaltet hat, hat er auch schon selbst mal einen Harnisch angelegt, um für ein Foto dem Zitherspiel eines „Mönchs“ zu lauschen und dabei mit seinem Kompagnon ein edles Getränk zu genießen. Offenbar hat Hans Lucas von Cranach für seine Verkleidungen eine ganze Menge Kostüme und Rüstungsteile besessen und benutzt. Allerdings hat er sich auch erlaubt, die kostbaren Stücke der Rüstsammlung für seine Fotografien „auszuleihen“. Was heute für Restauratoren ein wahrer Alptraum wäre, ging damals offenbar noch problemlos. 1904 wurde einer der wertvollsten Ross- und Turnierharnische aus dem Rüstsaal in der Dirnitz zum Torweg transportiert, und es entstand das Bild mit dem in die Burg einreitenden Ritter mit einem „Mönch“. Wie schwierig es gewesen sein muss, das Holzpferd mitsamt Ross- und Reiterharnisch auf seinem Podest an diesen Platz zu bugsieren, kann man sich nur vorstellen. Das Podest ist beim genauen Hinsehen übrigens noch zu erkennen, denn es wurde auf dem Glasnegativ nicht ganz vollständig wegretuschiert. Ob Cranach sich hier vorgestellt hat, dass Luther im Mönchsgewand gerade in Begleitung des geharnischten Reiters auf der Wartburg angekommen ist, wissen wir leider nicht.

Das Glasnegativ dieser Fotografie wird in der Fotothek der Wartburg aufbewahrt, aus der zahlreiche historische Schätze wie Glasnegative und -positive, Abzüge und Dias derzeit digitalisiert werden und in Zukunft im Internet öffentlich nutzbar sein sollen. Das Projekt ist der Förderung der Thüringer Staatskanzlei zu verdanken und wird in Kooperation mit der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek durchgeführt.

Die ältesten Fotografien und noch mehr Aufnahmen von Hans Lucas von Cranach sind ebenso wie die Geschichten um ihre Entstehung und die Wartburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre in dem Buch „Objektiv!? Die Wartburg im Spiegel der Fotografien des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts“ im Musemsladen auf der Wartburg und im Webshop zu finden.

Quellen:

Rüstung auf Rossharnisch im ersten Burghof der Wartburg, Hans Lucas von Cranach, 12.10.1904, Glasnegativ, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. PI_01_0716_C

Fotoaufnahmen für „Die Waffen der Wartburg“ im Rüstsaal der Dirnitz, Hans Lucas von Cranach (?), 12.4.1911, Glasnegativ, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Nr. PI_01_1056_C

Hans Lucas von Cranach in Rüstung mit Mönch, Ritter und Pudel Mohr vor der Ritterhausdiele der Wartburg, anonym, nicht datiert (1895–1897), Fotografie, Wartburg-Stiftung

Turnier- und Rossharnisch Herzog Johann Wilhelm II. von Gotha, Kunz Lochner, um 1550–1560, in: Alfons Diener-Schönberg: Die Waffen der Wartburg. Berlin 1912, Tafel 21

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