Luthers Handexemplar der Bibel in der aktuellen Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“
Daniel Miksch, wissenschaftlicher Mitarbeiter, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Mai vor:
„Dieses Exemplar des Alten Testaments ist faszinierend, weil es Luther persönlich zur Bearbeitung nutzte, die Anmerkungen darin stammen von seiner Hand. Vom Beginn der Bibelübersetzung 1521/22 auf der Wartburg zieht sich ein kontinuierliches Band bis zur Revisionsarbeit, die eng mit diesem einzigartigen Objekt verknüpft ist. Zum 500-jährigen Jubiläum ist es als Leihgabe in der Sonderausstellung der Wartburg zu sehen.“
Am 4. Mai 2022 wird auf der Wartburg die Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ eröffnet. Damit begeht die Wartburg das 500. Jubiläum der Bibelübersetzung, die hier ihren Anfang nahm. Während seines zehnmonatigen Aufenthaltes übertrug Luther hier das Neue Testament ins Deutsche. Zurück in Wittenberg wurde es korrigiert und schließlich im Herbst 1522 herausgegeben. Während sich Luthers „Newes Testament Deutzsch“ in Windeseile verbreitete, begann er gemeinsam mit seinen Vertrauten in Wittenberg die Übersetzung des Alten Testaments, die 1534 vollendet und veröffentlicht wurde.
Allerdings war damit die Arbeit an der „Dolmetschung“ der Heiligen Schrift nicht getan; Luther erachtete es als wichtig, kontinuierlich weiter an der Verbesserung der Übersetzung zu arbeiten. In Revisionen prüften er und seine Kollegen – vor allem Philipp Melanchthon, Matthäus Aurogallus, Caspar Cruciger, Georg Rörer, Justus Jonas und Johannes Bugenhagen – die übertragenen Texte gründlich, sie korrigierten Fehler und verbesserten die Übersetzung hin zur bestmöglichen Verständlichkeit der Bibel in der deutschen Landessprache. Die sich in mehreren Etappen bis 1545 hinziehenden Revisionen liefen dabei meist ähnlich ab: Das Team um Luther diskutierte Vers um Vers, Kapitel um Kapitel, wobei sich die Bearbeitungszeit einzelner Sätze schnell über einige Stunden erstrecken konnte. Auch war es zuweilen schwer, sich auf Formulierungen zu einigen, besonders, da Luther immer wieder insistierte, wenn ihm etwas missfiel, und er Vorschläge mitunter mit einem simplen „gefällt mir nicht“ ablehnte.
Der Lutherbiograph Johannes Mathesius schilderte 1566, dass Luther „mit seiner alten Lateinischen vnd newen Deutschen Biblien“ zu den Revisionssitzungen kam, sowie, dass „Zuuor […] sich ein jeder auff den text gerüst [hat], dauon man rathschlagen sollte“. Die angesprochene neue deutsche Bibel Luthers kann als das hier präsentierte Exemplar identifiziert werden. Luther nutzte es also, um sich intensiv auf Revisionssitzungen vorzubereiten, indem er erste Notizen zu den Textstellen eintrug. Des Weiteren wurde das Handexemplar benutzt, um in den Sitzungen beschlossene Änderungen am Text zu notieren. Diese Eintragungen wurden jedoch nicht nur von Luther vorgenommen, sondern auch von anderen Reformatoren und von Georg Rörer, aus dessen Feder das Revisionsprotokoll dieser Sitzungen stammt. Diesen vor allem für die Revisionsarbeit seit 1539 benutzten Band übergab Luther wohl schon 1540 an Rörer, der nämlich außerdem als Korrektor in der Druckerei von Hans Lufft tätig war, den Druckvorgang begleitete und die Umsetzung der beschlossenen Änderungen überwachte.
Das einzigartige Buch aus dem Bestand der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena ist damit genauso wie das präsentierte Revisionsprotokoll von 1539 bis 1541 vom gleichen Ort ein unbezahlbares historisches Zeugnis für die lebendige Arbeit an der Übersetzung der Heiligen Schrift. Es diente Luther und seinen Mitstreitern als Hilfsmittel und Arbeitsgrundlage für die Verbesserung der deutschen Bibel. Und das beinahe 500 Jahre alte Dokument wirkt dabei auch optisch eindrucksvoll, eine Aura des Authentischen und faszinierend Alten umspielt es, wie wir sie im digitalen Zeitalter zwischen Webbrowser und Smartphone kaum noch finden.
Luthers Handexemplar mit handschriftlichen Revisionsanmerkungen ist eines von vielen spannenden Objekten und hochkarätigen Leihgaben, die ab dem 4. Mai 2022 in der Sonderausstellung der Wartburg zu bestaunen sind. Da der kostbare Band besonderen konservatorischen Vorgaben unterliegt, ist er nur für die ersten drei Monate als Original in der Ausstellung zu sehen, ehe er durch eine Reproduktion ersetzt wird – ein baldiger Besuch der Ausstellung lohnt sich also.
Die Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ ist ab dem 4. Mai täglich von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr (letzter Einlass) geöffnet.