Lade und Schenkkrug einer Gemeinschaftszunft aus Berga „SPRECHENDE“ ZEUGEN DER THÜRINGISCHEN HANDWERKSGESCHICHTE

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Lade und Schenkkrug einer Gemeinschaftszunft aus Berga
Lade und Schenkkrug einer Gemeinschaftszunft aus Berga

Dr. Dorothee Menke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Februar vor:

„In Vorbereitung der aktuellen Sonderausstellung wurden die in  der ehemaligen großherzoglichen Sammlung zusammengetragenen Zunftobjekte erstmals systematisch aufgearbeitet. Dass mich die Auseinandersetzung mit zunächst vielleicht „verstaubt“ anmutenden Objekten wie Zinngefäßen so begeistert hat, lag letztendlich in der Tatsache, dass sie uns sehr viel erzählen können. Ihre Inschriften bringen uns Personen des 17. und 18. Jahrhunderts näher und schlagen eine Brücke von einer uns mitunter fremd erscheinenden Welt in die heutige Zeit.“

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  • Lade und Schenkkrug einer Gemeinschaftszunft aus Berga
    Lade und Schenkkrug einer Gemeinschaftszunft aus Berga

Tief eingeschnitten überdauerten seit 1656 die Namen von zwölf Männern auf der Innenseite des Deckels einer kleinen hölzernen Truhe. Ihre Amtsbezeichnungen identifizieren sie als Richter, Bürgermeister, „Rathsvorwanter“, Stadt- und Handwerksschreiber sowie Vormeister aus dem Ort Berga – wohl Berga an der Elster.

Bei dem kunstvoll gestalteten Behältnis handelt es sich um eine Zunftlade – eines jener gleichsam als Heiligtum verehrten Besitztümer der Vereinigungen, die als Zünfte, Innungen, Ämter oder Gilden vom hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert das wirtschaftliche und soziale Leben in den Städten mitprägten. Die Zunftlade barg vom Zunftbrief, der Zunftordnung über Gesellenbriefe, Geburtsurkunden bis hin zum Siegel und den Ersparnissen die wichtigsten Dokumente der Gemeinschaft. Feierlich geöffnet, markierte sie bei den Versammlungen den Beginn des offiziellen Teils und die Rechtmäßigkeit der behandelten Belange. Bei offener Lade hatte unschickliches Benehmen aller Art – Beleidigungen, Flüche, lautes Sprechen, Würfel- und Kartenspiele oder der Konsum von Alkohol – zu unterbleiben; Zuwiderhandlungen wurden mit Strafzahlungen geahndet.

Die großen, kollektiv genutzten Zinngefäße standen hingegen für Gemeinschaftssinn und Geselligkeit, wurde doch bei den Zunftversammlungen nach dem Schließen der Lade auch stets ordentlich – sprichwörtlich zünftig – gezecht. Unter den repräsentativen Trink- und Schankgefäßen von Zünften verwahrt die Kunstsammlung der Wartburg einen großen, reich gravierten Schenkkrug, dessen Inschrift ihn als Gemeinschaftseigentum von acht Gewerken aus Berga zu erkennen gibt. Auf dem Deckelschild erscheinen u. a. die Zunftzeichen der Hufschmiede, Bäcker, Fleischhauer, Schneider, Schuhmacher und Böttcher. In drei ovalen, von Ranken eingerahmten Feldern sind unter der Jahreszahl 1659 die Namen der Mitglieder verewigt. Überraschenderweise begegnen uns hier alle im oben beschriebenen Ladendeckel aufgelisteten  Personen wieder. Die Lade und der drei Jahre später gefertigte Krug erlauben Rückschlüsse auf die Organisation: aufgrund der mutmaßlich geringen Größe Bergas waren hier nicht nur die wichtigsten Handwerksberufe zusammengeschlossen, sondern es handelte sich um eine Stadtinnung, der neben Vormeistern kommunale Würdenträger wie Richter, Ratsmitglieder und Bürgermeister vorstanden. Den zugangsbeschränkten Zünften und ihren bei Prozessionen stolz der Öffentlichkeit präsentierten Aushängeschildern Lade und Zinngefäß haftete aus Sicht Nichteingeweihter oft etwas Geheimes und Geheimnisvolles an – ein Aspekt, der von Zunftmitgliedern durchaus  betont wurde, indem sie (wie auch beim Exemplar aus Berga) verborgene Fächer in ihre Truhen einbauten. Vielleicht mag es das Exklusive der Handwerkerbünde gewesen sein, das Großherzog Carl Alexander veranlasste, schon bald nach der 1863 eingeführten Gewerbefreiheit die Glanzstücke der sich sukzessive auflösenden Zünfte als Ausstattung für die erneuerte Wartburg zu erwerben. Die acht Laden und etwa 20 Zinngefäße, die Eingang in die großherzogliche Sammlung fanden, waren zu diesem Zeitpunkt bereits Zeugen einer im Untergang begriffenen Ära der thüringischen Handwerksgeschichte.

Diese und viele andere spannende Exponate sind noch bis zum 28. Februar in der Sonderausstellung „Zwischen Kunst, Handwerk und Industrie. Carl Alexander und die Vision von der Schönheit der Dinge“ zu sehen.

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