Kommandantengarten mit der Lindenlaube
Gerhard Keute, Verwaltungsleiter der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats September 2022 vor:
„Wenn man auf der Wartburg arbeitet, lebt man auf besondere Weise mit der Natur. Man kann den Wechsel der Jahreszeiten gut verfolgen und erlebt eindrucksvolle Sonnenauf- und untergänge. Für mich gehört die Lindenlaube im Kommandantengarten zu den schönsten Plätzen auf der Wartburg – besonders wenn man dort den Sonnenuntergang an einem warmen Sommerabend genießen darf.“
Wie so viele romantische Plätze im Wartburggelände verdankt auch die Laube am Söller im Kommandantengarten ihre Entstehung dem 19. Jahrhundert. Die im Wartburg-Archiv aufbewahrten Briefe des Wartburgarchitekten Hugo von Ritgen an den Kommandanten Bernhard von Arnswald berichten davon, dass beide im Frühjahr 1851 mit den Planungen zu einem Erker an der westlichen Wehrmauer im Garten des Kommandanten begonnen haben. Zunächst hatte Ritgen einige Entwürfe gezeichnet, in denen der Söller – ganz nach dem Wunsch seines Freundes – mit Balustraden und Säulchen ausgestattet war. Allerdings ist er dabei ins Grübeln gekommen und hat deshalb an den Kommandanten geschrieben: „Dürfen wir, lieber Freund, die wir überall nur das Wahre, Ursprüngliche, Burgliche oder doch zumindest das wahrscheinlich vorhanden gewesene verfechten, dürfen wir einen solchen Unsinn begehen, an die äußere Ringmauer, zwischen Zinnen und Schießscharten einen leichten, durchbrochenen Söller, ein modernes Balkonchen zu kleben?“
Natürlich durften sie das nicht. Hinzu kam, dass Ritgen davon ausging, dass es früher an der Stelle bereits einen Erker gegeben haben musste, weil aus der Mauer ein verwitterter Tragstein herausragt(e). Dieser Stein könnte auf einen Schützenerker hinweisen, vermutete der Architekt, denn im 14. Jahrhundert seien solche Erker zur Verteidigung häufig an die Ringmauern von Burgen angebaut worden. Der Entwurf entsprach schließlich dem vermuteten Vorgänger, nur dass der einst höher gewesen sein könnte und möglicherweise vorn und an den Seiten Schlitze für Schusswaffen hatte.
Bernhard von Arnswald war einverstanden und beantragte die Ausführung des Söllers bei seinem Burgherrn Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ausgeführt wurde er im Sommer 1851 aus Sandsteinquadern, der alte Tragstein ist einer von dreien, die ihn stützen. Das Argument seines Freundes, dass dieser Erker aus massivem Mauerwerk vor allem den Damen „das Gefühl der Sicherheit und Traulichkeit“ vermitteln würde, hat Arnswald gern übernommen, denn nach seiner Fertigstellung wurde der Platz sehr schnell zu einem der beliebtesten Orte des Kommandanten und seiner Gäste, zu denen natürlich auch Damen gehörten. Auch Großherzog Carl Alexander schätzte diesen Platz, der mit der Zeit von einer dichten Lindenlaube umgeben war. Nicht selten ist dabei die Zither (oder Zister) erklungen, ein lautenartiges Instrument, das Bernhard von Arnswald sehr gut beherrscht und auch dazu gesungen hat. Unter den zahlreichen Adligen, Schriftstellern und Künstlern, die in den Genuss eines Abends in der Laube im Kommandantengarten kamen, war auch der Dichter Otto Roquette. Offenbar beeindruckt von der Stimmung bei einem aufziehenden Gewitter hat er das Erlebnis am 1. Juni 1855 in romantischen Versen im Gästebuch des Kommandanten festgehalten:
Die letzte Mainacht auf der Wartburg
Wir saßen auf dem Söller noch spät,
die Zither erklang in das Thal,
Von der Dämmerung bläulichen Flügel umweht
versanken die Gipfel zumal.
Ein Wetterleuchten säumte die Höh’n,
und grollender stieg es empor,
die zuckenden Blitze, das Saitengetön
umspann uns mit zaub’rischem Flor.
Der Kommandantengarten mit der Lindenlaube ist im zweiten Burghof der Wartburg zu den Öffnungszeiten zu besichtigen.