Junge Mutter mit Kind LUCAS CRANACH D. Ä. UM 1525

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Junge Mutter mit Kind (sog. „Buße des heiligen Johannes Chrysostomus“), Lucas Cranach d. Ä., um 1525

Günter Schuchardt, Burghauptmann der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats März vor:

„Zu den Glanzlichtern der Dauerausstellung auf der Wartburg zählen die Gemälde aus der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. Unter ihnen ragt wiederum eine einzigartige Darstellung einer jungen Frau mit ihrem Säugling heraus, die der Forschung bis heute ein nicht alltägliches Rätsel aufgibt“.  

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  • Junge Mutter mit Kind (sog. „Buße des heiligen Johannes Chrysostomus“), Lucas Cranach d. Ä., um 1525

Eine Madonna mit dem Jesusknaben, eine Prinzessin mit ihrem Neugeborenen oder gar eine versteckte Legende, eine Botschaft? So ganz genau wird man die Beweggründe Lucas Cranachs d. Ä., dieses Porträt einer uns unbekannten jugendhaften Frau mit ihrem Säugling und einem kaum sichtbaren Rätsel zu schaffen, wohl nie ergründen können. 

Obwohl die Bildkomposition direkt an seine Mariendarstellungen anschließt, erblicken wir eine Dame der Hofgesellschaft in der reichen Tracht des 16. Jahrhunderts. Hohe Bäume und eine Burganlage auf steilem Fels bilden die umgebende Szenerie. Cranach d. Ä. hat um 1525 mehrere ganz ähnliche Porträts gefertigt, die sich heute in Helsinki, London oder in Privatbesitz befinden. Bei ihnen fehlt jedoch das Kleinkind und somit bildet diese Darstellung aus der Wittenberger Werkstatt ein singuläres Motiv innerhalb des Œuvres des Meisters und seiner Gesellen.

Als es der Burghauptmann der Wartburg, Hans Lucas von Cranach, ein Nachfahre der berühmten Künstlerfamilie, 1901 bei einer Berliner Versteigerung erwarb, war das Bild noch unter dem Titel „Junge Frau, ein Neugeborenes auf einer Windel haltend“ aufgerufen worden. Nach dessen Tod 1929 erstand die Wartburg-Stiftung das Gemälde von den Nachfahren. 

Erst in den 1970er Jahren wurde eine kleine bärtige Assistenzfigur, auf allen Vieren nackt direkt am Fuß des Felsens hockend, entdeckt, bei der es sich womöglich um eine Darstellung von Johannes Chrysostomus handelt. Der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebende heilige Johannes Chrysostomus  war Erzbischof von Konstantinopel und gilt als einer der vier Kirchenlehrer des Ostens, auf den die altchristlichen Lehre von der Eucharistie zurückgeht. Die von ihm verfochtenen sozialreformerischen Programme scheiterten am Widerstand der Mächtigen. Der oströmische Kaiser Arcadius ließ ihn zweimal verbannen. Erst im ausgehenden Mittelalter entstand die wohl antiklerikale Legende vom Einsiedler, in dessen Höhle sich eine junge Frau verirrt hatte, die schließlich von ihm verführt worden sei. Aus Furcht vor der Schmach habe sie sich von einem Felsen gestürzt, sei jedoch auf wundersame Weise gerettet worden. Daraufhin büßte ihr Peiniger und legte ein Gelübde ab, fortan unbekleidet und auf allen Vieren kriechend wie ein wildes Tier das Ende seiner Tage zu erwarten.

Albrecht Dürer hatte diese Legende als erster deutscher Künstler 1496/97 in einem Kupferstich aufgegriffen, Cranach folgte ihm mit einer ähnlichen Darstellung 1509. Auf beiden Blättern steht jedoch der unbekleidete weibliche Körper im Vordergrund. Ganz anders präsentiert sich unser Gemälde, eine junge, gut gekleidete Dame, deren Name nicht überliefert ist, mit ihrem Säugling.

Kaum ein Betrachter dürfte die nur mit wenigen Strichen angedeutete, hockende Gestalt ohne jegliche Sehhilfe erkennen. Womöglich war dies ganz in Cranachs Sinne und einfach nur der Lust des Künstlers an einer versteckten Botschaft geschuldet.  

Dieses Gemälde der Kunstsammlung ist als Teil der Dauerausstellung im Wartburg-Museum zu besichtigen.

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