Fackelzug unter der Burg Johannes Heisig, 2004/2005, Mischtechnik auf Leinwand

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Fackelzug unter der Burg  Johannes Heisig, 2004/2005  Mischtechnik auf Leinwand  Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0307
Fackelzug unter der Burg Johannes Heisig, 2004/2005 Mischtechnik auf Leinwand Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0307

Lucienne Silvers Godoy, Bundesfreiwillige im Bereich der Museumspädagogik, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Februar 2022 vor:

„Egal, wie oft ich das Gemälde schon betrachtet habe, es zieht mich immer wieder zu sich. Es ist widersprüchlich wie mich - die Formen außen vor gelassen - das für mich so ästhetische Spiel der Farben in seinen Bann zieht, während die verzerrten Gesichter eine ganz andere, beunruhigende Geschichte erzählen.“

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  • Fackelzug unter der Burg  Johannes Heisig, 2004/2005  Mischtechnik auf Leinwand  Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0307
    Fackelzug unter der Burg Johannes Heisig, 2004/2005 Mischtechnik auf Leinwand Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0307

„Eine merkwürdige Melange aus ungläubigem Staunen, Faszination und distanzierter Amüsiertheit erfasst mich”, notiert Johannes Heisig angesichts des Fackelzuges während des Deutschen Burschentages in sein Arbeitsjournal. Der Eisenacher Stadtgast des Jahres 2004 beschreibt auch die Atmosphäre des damaligen Burschentags, als die Teilnehmer, ihren Ritualen folgend, für ihn „eine dumpfe Exotik“ verströmten. In Heisigs expressionistisch anmutendem Gemälde „Fackelzug unter der Burg“ spürt der Betrachter die Beunruhigung des Künstlers beim Anblick der Burschenschafter, die, gemalt in ihren traditionellen Uniformen, eine irritierende Entschlossenheit zu zeigen scheinen.

Die Werke von Johannes Heisig, am 23. April 1953 in Leipzig geboren, stehen in der sozialkritischen Tradition des Realismus und des subjektiven Expressionismus. Im Rahmen des Stadtgast-Programms hatte er Gelegenheit, sich sechs Monate lang von der Stadt und Umgebung für neue Projekte und Kunstwerke inspirieren zu lassen. Dass mit Fackeln bewehrte Burschenschafter auch das Hauptmotiv mehrerer Lithographien sind, bezeugt die intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Thema. „Fackelzug unter der Burg“ war dann Teil von Heisigs Kunstausstellung „Ich geh und suche mit Verlangen…“ im Jahr 2005.

Das Kunstwerk wurde in Mischtechnik auf Leinwand gemalt. Die großen und groben Pinselstriche erschweren bei genauem Blick, das Motiv des Künstlers zu identifizieren. Erst ein Schritt zurück gibt dem Betrachter die Gelegenheit, im wahrsten Sinne des Wortes das große Ganze zu sehen. Die Fackelzügler und die großzügige Verwendung unterschiedlicher Rottöne stehen im Zentrum des Bildes. Abseits des Hauptmotivs kann man in der linken oberen Ecke die unverwechselbare Form der Vorderseite und des Burgtors der Wartburg erkennen. Die intensive Farbgebung, die sofort ins Auge sticht und die beim zweiten Hinsehen auffallenden Pinselabdrücke, zurückgebliebenen Spachtellinien und verlaufenen Farben drängen dazu, alles näher und für längere Zeit zu bewundern.

Das Gemälde gehört seit 2018 zur Dauerausstellung der Wartburg und ist damit das jüngste Exponat des Museums. Titel und Motiv des Kunstwerks erinnern an das Wartburgfest im Oktober 1817 – ein Ereignis, auf welches sich die heutigen Burschenschafter freilich auch in ihren Festakten und ihren Fackelzügen von der Wartburg zum Burschenschaftsdenkmal bezogen. Die Inszenierung des Gemäldes in der Ausstellung möchte jedoch vor allem zum Nachdenken über die Unterschiede zwischen den Akteuren von gestern und heute anregen: Ein lautes Drängen nach Erneuerung, Liberalismus und nationaler Einheit im deutschen Raum auf der einen Seite, und die konservativ bis reaktionäre geschichtsvergessene Gedankenwelt, Abschottung und Exklusivitätsansprüche auf der anderen Seite. Hinzu treten selbstbezogene Rituale und Traditionen, die nicht mehr recht in unsere Zeit zu passen scheinen.

Festakt und Marsch gehörten lange Zeit zum festen Bestandteil des Burschentages. Seit 2014 steht das Gelände der Wartburg den Burschenschaften indes nicht mehr als Festort und Startpunkt des Fackelzuges zur Verfügung. Diese Entscheidung wurde vom Stiftungsrat der Wartburg-Stiftung aufgrund der teils nationalistisch und antisemitisch ausgerichteten Strömungen innerhalb der Burschenschaften getroffen. Noch immer finden die Burschentage statt, jedoch hauptsächlich auf dem Gelände des Burschenschaftsdenkmals.

Das Gemälde „Fackelzug unter der Burg“ ist zu den Öffnungszeiten im vierten Raum der Dauerausstellung des Museums zu betrachten.

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