Die Sängerlaube im Sängersaal auf der Wartburg

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Die Sängerlaube im Sängersaal auf der Wartburg
Die Sängerlaube im Sängersaal auf der Wartburg

Andreas Volkert, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen auf der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Juni 2022 vor:

Die als Bühne gestaltete Sängerlaube ist ein besonderer Ort, denn sie erinnert nicht nur an die Zeit des Minnesangs, man kann sich auch vorstellen, dass hier die berühmtesten Sänger des Mittelalters ihre Werke vorgetragen haben. Genau diesen Eindruck sollte diese Laube auch erwecken…

Galerie

  • Entwurf für die Ausmalung der Sängerlaube, Hugo von Ritgen, 1857, Aquarell, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. BE0267
    Entwurf für die Ausmalung der Sängerlaube, Hugo von Ritgen, 1857, Aquarell, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. BE0267
  • Die Sängerlaube am Nordende des Sängersaals im Palas der Wartburg. Foto: Rainer Salzmann/Wartburg-Stiftung
    Die Sängerlaube am Nordende des Sängersaals im Palas der Wartburg. Foto: Rainer Salzmann/Wartburg-Stiftung
  • Die Sängerlaube im Sängersaal auf der Wartburg
    Die Sängerlaube im Sängersaal auf der Wartburg
  • Frau Minne, Rudolf Hofmann, 1857, Fresko in der Sängerlaube im Palas der Wartburg. Foto: Wartburg-Stiftung
    Frau Minne, Rudolf Hofmann, 1857, Fresko in der Sängerlaube im Palas der Wartburg. Foto: Wartburg-Stiftung

Der Saal im mittleren Geschoss des mittelalterlichen Palas, seit mehr als 160 Jahren durch Moritz von Schwinds Sängerkriegsfresko und die malerische Sängerlaube berühmt, hieß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch „Waffensaal“, denn hier war ein großer Teil der Rüstsammlung der Wartburg aufgestellt. Die prachtvolle Ausmalung entstand in den 1850er Jahren und mit ihr erhielten Sängersaal und Sängerlaube auch ihre Namen. Wie es dazu kam? Nun, genau genommen sind sie dem Wartburgarchitekten Hugo von Ritgen und dem Maler Moritz von Schwind zu verdanken. Obwohl sie sich keineswegs besonders gut verstanden, haben sie doch auf gewisse Weise gemeinsam dafür gesorgt, dass Sängersaal und -laube bald als Austragungsorte des legendären Sängerwettstreits galten. Hugo von Ritgen hatte 1851 eine erhöhte Fläche am Nordende als ehemalige Bühne gedeutet und deshalb eine „Laube“ als Auftrittsort der Minnesänger entworfen. Dass der Wettstreit hier auch stattgefunden hat, glaubte er allerdings nicht. Zum einen kannte er die jüngsten Forschungen, die (zu Recht) an der Realität des Ereignisses zweifelten, zum anderen vermutete er, dass sich die Sänger im Ritterhaus in der Vorburg aufgehalten hatten und dort auch gegeneinander angetreten waren. Zugegeben, mit dieser Lokalisierung stand Ritgen so ziemlich allein, denn damals galt der große Festsaal im obersten Geschoss des Palas als Ort des Geschehens; und genau dort sollte Moritz von Schwind auch sein Sängerkriegsfresko schaffen. Allerdings eignete sich weder die Architektur des Saals für ein großformatiges Gemälde, noch konnte sich Meister Schwind mit Hugo von Ritgens Entwürfen für die Ausstattung des großen Saals anfreunden. Der Maler wandte sich deshalb an seinen Auftraggeber Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und bot an, im heutigen Sängersaal sein Gemälde zu schaffen. Immerhin, so Schwind, wäre dort bereits die „malerisch günstige Laube“, und im Übrigen würde ohnehin jeder den Saal, im dem ein Ereignis gemalt sei, auch für den Ort des Geschehens halten. Carl Alexander stimmte zu.

1855 war das Sängerkriegsfresko fertiggestellt. Der Maler hatte das Geschehen vor der Sängerlaube platziert und den Saal damit geschickt zum Schauplatz des Sängerwettstreits werden lassen. Weil aber Schwind für die Laube keine Ausmalung vorgegeben hatte, konnte sich Ritgen 1856 den Auftrag für deren Gestaltung sichern. Der Architekt entwarf das Programm, das der Darmstädter Maler Rudolf Hofmann malerisch umsetzte. Stand bei Schwind das Fürstenlob im Zentrum seiner Erzählung, war für Ritgen der Streit des Heinrich von Ofterdingen mit den Sängern um das Lob des besten Fürsten nicht wichtig. Ihm ging es um das Rätselspiel, und zwar in Form eines Wettstreits zwischen der heidnisch geprägten, sinnlichen Minne und der christlichen, tugendhaften Minne. Umrahmt von einer blühenden Rosenlaube hat Rudolf Hofmann die Verse der Dichter wiedergegeben und sie in den seitlichen Rankenborten dargestellt. Als Vertreter der sinnlichen Minne, die ganz oben mit ihrem Sohn Amor zu sehen ist, erscheinen links der dämonische Meister Klingsor, der eitle Heinrich von Ofterdingen und sogar Walther von der Vogelweide. Rechts ist die Gegnerschaft unter der Führung der christlichen Fides, des Glaubens, angeordnet. Zuerst Wolfram von Eschenbach, gefolgt von dem tugendhaften Schreiber, Biterolf und Reinmar von Zweter. Sie sind die Vertreter des christlichen Glaubens und der himmlischen Minne.

Obwohl sie in diesem Raum also zwei unterschiedliche Bildprogramme ausgeführt haben, hatten Moritz von Schwind und Hugo von Ritgen in einer Sache das gleiche Problem: Seit Richard Wagners Oper „Tannhäuser“ ihren Siegeszug durch die Opernhäuser Europas angetreten hatte, wurde Heinrich von Ofterdingen immer wieder mit dem Tannhäuser verwechselt – was beide ausgesprochen ärgerte.

Weitaus bühnentauglicher war allerdings ohnehin der große Festsaal im obersten Geschoss mit der von Ritgen entworfenen Kassettendecke. Als „Halle der Minnesänger“ wurde er zur Kulisse auf zahllosen Opernbühnen. Und so hat die Wartburg tatsächlich zwei „authentische“ Orte des Sängerkriegs: im Sängersaal den der mittelhochdeutschen Dichtkunst, im Festsaal den der Wagner-Oper, die seit 2003 ausgesprochen erfolgreich hier aufgeführt wird.

Die Sängerlaube im Sängersaal ist, ebenso wie auch der große Festsaal, zu den Öffnungszeiten zu besichtigen. Karten für die glanzvollen Aufführungen von Wagners „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ können Sie hier buchen.

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