Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450 Ahorn, Fichte, Wartburg-Stiftung. Kunstsammlung. Inv.-Nr. KH0050

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Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte

Michael Jacobs, als Magazinmeister zuständig für die Kunstsammlung der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Mai 2023 vor:

„Ein großes Geschenk meiner Arbeit ist, dass ich manchen Dingen sehr nahekommen darf. Die Quinterne ist eines der besterhaltenen und qualitätsvollsten Instrumente seiner Art und in Fachkreisen weltberühmt. Allein die handwerkliche Kunstfertigkeit des Instrumentenbauers flößt mir größte Ehrfurcht ein. Ich erlebte und teilte die feierliche Stimmung von Wissenschaftlern und Instrumentenbauern, die die Quinterne untersucht, vermessen oder kopiert haben und belausche manchmal die Freude der Gäste im Museum.“

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  • Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
    Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
  • Brief von Ludwig Bechstein an Bernhard von Arnswald, Meiningen, 25. Oktober 1846
    Brief von Ludwig Bechstein an Bernhard von Arnswald, Meiningen, 25. Oktober 1846
  • Der Korpus der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
    Der Korpus der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
  • Rosette der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte
    Rosette der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte

Von den wenigen Musikinstrumenten im Museum der Wartburg fesselt die von Hans Ott um 1450 in Nürnberg gebaute Quinterne die Aufmerksamkeit des touristischen wie des Fachpublikums und fasziniert durch ihre Form und die atemberaubend filigranen Maßwerk-Schnitzereien über dem Schallloch.
Der Meininger Bibliothekar und Schriftsteller Ludwig Bechstein (1801–1860), der auch ein leidenschaftlicher Kunst- und Raritätensammler war, erkannte den einzigartigen Wert dieses Instrumentes. In einem Brief an seinen Freund, den Kommandanten der Wartburg Bernhard von Arnswald (1807–1877), schrieb er: „Ich war 8 Tage in Fu[lda?], Schweinfurt und Würzburg. Was habe ich mitgebracht! Eine uralte Zither, sicher aus dem 15. Jahrhundert, mit bewundernswürdiger, echt gotischer Rosette des Schalloches, klein, allerliebst; sie kostet mich aber viel. Aber ich konnte sie nicht lassen, ich lasse sie jetzt herrichten, die Saiten fehlen. Aber gerade 10 Saiten; vielleicht ist sie spanisch. Oben am Hals ist statt des Sterns eine Zitrone ersichtlich. Eine Form zum Küssen! […] Dieses Instrument hat jedenfalls ein Meister gehandhabt“. Im 1849 angelegten und bis 1860 geführten Inventarbuch der Wartburg findet sich folgender Eintrag: „4. Eine Laute des 14. Jahrh. vom Dichter Bechstein nach seinem Tode aus dem Nachlaß [gekauft] für 30 Fl. sehr selten u. schön.“ Es handelt sich hier um den ersten Nachweis der Quinterne auf der Wartburg, die heute als einzigartiges Instrument bewertet wird. Sie gehört zu einem kleinen, aber zum Teil alten und hochkarätigen Bestand an Saiteninstrumenten.

Ludwig Bechstein bezeichnete seine Errungenschaft noch als Zither, im Inventar taucht sie als Laute auf, was ihre Erscheinung nahelegt. Marc Lewon, Professor für Lauteninstrumente des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Schola Cantorum Basilensis erklärt: „Die Quinterne wird gerade so im Spätmittelalter als die kleine Schwester der Laute behandelt, gehört aber genaugenommen nicht zur Familie der Lauteninstrumente. Sie hat sich also separat entwickelt und erst im 15. Jh. nähert sie sich so klanglich, sagen wir mal, der Laute an.“ In der heute gespielten Mittelaltermusik ist die Quinterne relativ unbekannt und selten. Im Mittelalter war sie das durchaus nicht. In den westeuropäischen Quellen taucht sie ab dem 13. Jh. als guitarra, guiterne oder chitarra auf. Zwar hat sie wie die Laute einen runden Bauch, der jedoch nicht aus Holzspänen zusammengesetzt ist, sondern aus einem kompakten Stück Holz ausgehöhlt wurde. Weil sie etwas kleiner war, war sie höher gestimmt und wurde zum Gesang als Oberstimme gespielt – im Gegensatz zur Laute, die besser die Unterstimmen übernehmen konnte. Da ihre Doppelsaiten mit einem Plektrum gespielt werden, klingt sie lauter und verschafft sich, auch durch ihre Höhe, mehr Präsenz.
Die Zuschreibung und Datierung der Quinterne auf der Wartburg beziehen sich als erstes auf eine Signatur, einen innen im Korpus eingeklebten Zettel: „Hans Ott 1450“. Stilkritische und naturwissenschaftliche Untersuchungen des späten 19. und zwanzigsten Jahrhunderts sowie eine im Jahre 2022 vorgenommene röntgentechnische Analyse des Fraunhofer-Instituts Fürth haben das bestätigt.

Nicht nur in der Rosette der Quinterne erkennen wir auch eine optische Funktion. Ihre birnenförmigen Rundungen muten sehr schön weiblich an und könnten tatsächlich beabsichtigt assoziativ sein. Die Mär von der halben Birne aus dem späten 13. Jh., als deren Autor Konrad von Würzburg vermutet wird, ist eine mittelhochdeutsche Dichtung voller sehr direkter Beschreibungen und Anspielungen von leiblicher Liebe, in denen die Symbolik der halben Birne und deren Form eine vordergründige Rolle spielt. Diese Geschichte regte auch in den folgenden Jahrhunderten mehrere Autoren zu Nachdichtungen und Variationen an, also wird der Bekanntheitsgrad kein geringer gewesen sein. Sich darüber angesichts der Morphologie der Wartburg-Quinterne seine Gedanken zu machen, kann durchaus berechtigt sein. Wie Bechstein schon meinte: Eine Form zum Küssen.

Quellen:

Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte, Wartburg-Stiftung. Kunstsammlung. Inv.-Nr. KH0050

Brief von Ludwig Bechstein an Bernhard von Arnswald, Meiningen, 25. Oktober 1846, Wartburg-Stiftung, Archiv

Der Korpus der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte, Wartburg-Stiftung. Kunstsammlung. Inv.-Nr. KH0050

Rosette der Quinterne, Hans Ott, Nürnberg, um 1450, Ahorn, Fichte, Wartburg-Stiftung. Kunstsammlung. Inv.-Nr. KH0050

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