Die Kanonen auf der Schanze der Wartburg

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Kanone auf der Schanze der Wartburg
Kanone auf der Schanze der Wartburg

Uwe Stein, Tischlermeister in der Bauhütte der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats August 2020 vor:

„Es sieht schon ein wenig bedrohlich aus, wenn man die letzten Meter zur Burg hinaufgeht und dort zwei Kanonen sieht, die nach Eisenach gerichtet sind. Tatsächlich hatten diese Geschütze aber lange Zeit eine wichtige und „friedliche“ Funktion, denn sie wurden gezündet, wenn in der Stadt ein Feuer ausgebrochen war.“

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  • Die Kanonen auf der Schanze der Wartburg
    Die Kanonen auf der Schanze der Wartburg
  • Kanone auf der Schanze der Wartburg
    Kanone auf der Schanze der Wartburg
  • Salutschüsse aus den Kanonen anlässlich der Geburt des Erbgroßherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach am 28. Juli 1912
    Salutschüsse aus den Kanonen anlässlich der Geburt des Erbgroßherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach am 28. Juli 1912

Die Feuerwache auf der Wartburg hat eine lange Tradition. Es gab schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Lärmkanonen auf der Schanze, die bei einem Feuer in der Stadt und ihrer Umgebung gezündet wurden oder mit den Schüssen selbst um Hilfe bei einem Feuer auf der Burg rufen konnten. Die Anzahl der abgefeuerten Schüsse hat dabei angezeigt, wo das Feuer ausgebrochen war (Eisenach = 3 mal, Umgebung = 2 mal), gleichzeitig wurde ein Mann von der Burg auf dem schnellsten Weg hinunter in die Stadt zum Predigerplatz geschickt, der den Ort des Brandes beschreiben konnte.

Als Eisenach von einer bisher nie gekannten Katastrophe heimgesucht wurde, hatte das auch auf der Wartburg fatale Folgen: In den Napoleonischen Kriegen zogen oft mit Pulver und Munition beladene Transporte auf dem Weg nach Frankreich durch die Stadt. So auch am 1. September 1810, als einer der Wagen in der heutigen Georgenstraße explodierte. Der Schwarze Brunnen an der Kreuzung Georgenstraße, Alexanderstraße und Wydenbrugk-Straße markiert den Ort des verheerenden Ereignisses. Mehr als 68 Menschen fanden in den Trümmern von 24 eingestürzten oder abgebrannten Häusern oder von umherfliegenden Kugeln und Steinen getroffen den Tod, viele Anwohner wurden verletzt. Die Wucht der Explosion ließ sogar in Dörfern im Umland Fenster bersten, auch auf der Wartburg ging ein Fenster zu Bruch. Es wird berichtet, dass der Geschützwärter auf der Wartburg von Beginn der Feuersbrunst an ununterbrochen aus den vier vorhandenen Kanonen Alarmschüsse abgegeben hat. Beim 32. Schuss hat ihn der Feuerwächter Hill abgelöst und genau in diesem Moment ist eine der Kanonen auseinandergebrochen. Der Feuerwächter wurde so schwer am Unterleib verletzt, dass er kurz darauf starb. Durch den unermüdlichen Einsatz der Bewohner Eisenachs und angrenzender Ortschaften und „die Menge der, auf die fortgesetzten Nothschüsse von der Wartburg hin, herbeigeeilten Spritzen war es möglich, den Flammen Grenzen zu setzen“, resümierte ein zeitgenössischer Bericht.

Auch wenn solche tragischen Ereignisse sich Gott sei Dank nicht wiederholten, hat die Feuerwache ihre Aufgabe offenbar sehr ernst genommen. 1842 gab es sogar Beschwerden bei der Kommandantur der Wartburg wegen unnötiger Alarmschüsse, die nicht nur Kosten verursacht haben, sondern auch die Bevölkerung „ohne Noth in Schrecken und Aufregung“ versetzten. Auch als es bereits Fernsprecher gab, wollte man noch nicht auf die Alarmschüsse von der Wartburg verzichten, denn 1897 wurden die vorhandenen Geschütze durch zwei damals moderne und bereits industriell gefertigte Feldkanonen aus Stahl der Firma Krupp ergänzt. Es sind die beiden Geschütze, die heute noch auf Schanze stehen. Wie es ausgesehen hat, als sie abgefeuert wurden, zeigt eine Fotografie in der Wartburg-Fotothek. Die Geburt des Sohns von Großherzog Wilhelm Ernst wurde am 28. Juli 1912 mit Salutschüssen von der Wartburg gefeiert.

Heute sind die früher so wichtigen Geschütze beliebte Fotomotive und vor allem für Kinder eine spannende Attraktion, und sie werden weiter gut gepflegt. 2019 hat eine Wagnerei neue Räder angefertigt und die Tischler der Bauhütte haben die Lafetten, auf denen die Lärmkanonen befestigt sind, aufgearbeitet.

Die Kanonen auf der Schanze der Wartburg sind frei zugänglich und jederzeit zu besichtigen.

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