"Die heilige Elisabeth pflegt Kranke" niederländisch/flämisch (?), Mitte/Ende 16. Jh., Tempera auf Eichenholz, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0205
Guido Spank, Mitarbeiter der Abteilung Gästeführung der Wartburg-Stiftung, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Januar 2024 vor:
„Das Gemälde ‚Die heilige Elisabeth pflegt Kranke‘ ist ein bisher selten gezeigter Schatz aus der Kunstsammlung der Wartburg. Auf diesem kleinen Bild sind keine Wundertaten der Heiligen dargestellt, denn es zeigt sie bei ihrem aufopferungsvollen Dienst an den Bedürftigen und Kranken – so wie er in einem Hospital des 16. Jahrhunderts ausgesehen haben könnte.“
Für die Geschichte und den Mythos der Wartburg ist die heilige Elisabeth von zentraler Bedeutung. In der Sonderausstellung „Mythos Wartburg: 10 Fragen an die Ideale Burg“, deren Laufzeit nun bis zum 17. März 2024 verlängert wurde, ist sie deshalb selbstverständlich vertreten. Neben vielen anderen spannenden Themen widmet sich ein Bereich der Ausstellung der Frage, ob das Leben und Wirken von Elisabeth von Thüringen und Martin Luther uns heute noch wichtige Botschaften vermitteln können. Die Verbindung zwischen den beiden außergewöhnlichen Persönlichkeiten stellt ein weiteres Highlight-Objekt der Schau her: Die Kopie des sogenannten Glasbechers der heiligen Elisabeth. Das kostbare Glas wurde der Heiligen zugeschrieben, sollte bei Geburtsnöten helfen und war im 14. Jahrhundert Teil der Reliquiensammlung des Franziskanerklosters unterhalb der Wartburg. Von hier gelangte es in die Reliquiensammlung Friedrichs des Weisen und nach deren Auflösung wurde Martin Luther Besitzer des Glasbechers. Der Reformator schätzte ihn als Symbol für Elisabeth, die er aufgrund ihrer großen Frömmigkeit und ihres karitativen Wirkens würdigte. Natürlich verehrte er das kostbare Stück nicht als Reliquie; er hielt es in Ehren, aber benutzte es auch. Bei Tisch hat er es zum „rundtrunck“ an seine Gäste gereicht.
Elisabeth, die ungarische Königstochter, kam mit nur vier Jahren an den Hof der Landgrafen von Thüringen, heiratete 1221 Ludwig IV., wurde Landgräfin und dreifache Mutter. Dass sie sich weitgehend allem Weltlichen und Standesgemäßen versagte, um Franz von Assisi nachzufolgen, und lieber ein Leben in Armut und christlicher Demut geführt hätte, sorgte zu ihrer Zeit für einiges Aufsehen. Sie verschenkte ihren Besitz, ließ während einer Hungersnot die landgräflichen Kornkammern öffnen und pflegte in den von ihr selbst gestifteten Hospitälern am Elisabethplan unterhalb der Wartburg sowie im hessischen Marburg – wohin sie nach dem Tode ihres Gemahls ging – Kranke, Arme und Versehrte. Bis heute wird sie deshalb von unzähligen Menschen weltweit verehrt, gilt als Schutzpatronin der Caritas und ist namensgebend für geistliche Orden, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Kirchen.
In ihrem Dienst für die Nächsten ist sie auch in der Malerei „Die heilige Elisabeth pflegt Kranke“ dargestellt. Das Bild aus dem 16. Jahrhundert ist nicht nur ein Zeugnis der Heiligenverehrung, es gibt auch einen lebendigen Einblick in das Hospitalwesen der frühen Neuzeit. Die Beschriftung unten erklärt, dass Elisabeth in einem „Gasthaus“, dem niederländischen Begriff für ein Hospital, den Kranken diente und ihnen die Füße wusch.
Gleich dreimal wird sie hier bei Tätigkeiten der praktischen Armenpflege abgebildet: Ganz hinten trägt sie eine Kranke Huckepack zur Bettstatt, davor füttert sie einen bettlägerigen Mann aus einer Schüssel und ganz vorn wäscht sie einem Kranken die Füße. Der grün-blau-weiß geflieste Fußboden, die edlen Bettdecken und die Betthimmel über den Krankenlagern haben womöglich nicht immer zum Standard im Hospitalwesen gehört, dafür aber der vorn rechts stehende Sitz mit eingebautem Nachttopf, der offenbar schon im 16. Jahrhundert zum Einsatz kam. Das mittelhochdeutsche „ze stuole gan“ verweist darauf, dass derartige Sitze schon seit Jahrhunderten für den „Stuhlgang“ benutzt wurden.
Elisabeth trägt mit weißem Schleier, blauem Kleid und Mantel mit goldenen Stickereien eine Mischung aus klösterlicher und höfischer Kleidung. Vorn auf dem roten Buch liegen die zwei abgelegten Kronen der Landgräfin und der Königstochter, während sie die Krone der Heiligkeit, umgeben von einem Heiligenschein, auf dem Kopf trägt.
Dieses Gemälde steht sinnbildlich für das karitative Wirken der heiligen Elisabeth, dem die Besucherinnen und Besucher hier auf der Wartburg an vielen Stellen nachspüren können. In der bis zum 17. März 2024 verlängerten Sonderausstellung können Sie es neben vielen weiteren herausragenden Ausstellungsobjekten sehen, die eine wichtige Rolle für den „Mythos Wartburg“ spielen.
Bildunterschriften und -nachweise:
Bild 1: Die heilige Elisabeth pflegt Kranke, niederländisch/flämisch (?), Mitte/Ende 16. Jh., Tempera auf Eichenholz, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0205
Bild 2: Blick in die Sonderausstellung „Mythos Wartburg: 10 Fragen an die Ideale Burg“ im Museum der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Bild 3: Blick in die Elisabethkemenate im Palas der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Bild 4: Der Elisabethbrunnen am Elisabethplan, wo sich einst ein Hospital und später ein Franziskanerkloster befanden, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann
Bild 5: Statuen der hl. Elisabeth und Martin Luthers in der Kapelle des Wartburgpalas, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Foto: Rainer Salzmann