Die Bank am Ende des Tugendpfads
Angela Porsche, Mitarbeiterin im Museumshop, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Februar 2020 vor:
„Es ist schon immer wieder beeindruckend, wenn man am Ende eines langen Arbeitstages an seinem Lieblingsplatz unterhalb der Wartburg den wunderbaren Blick bis zum Inselberg oder nach Eisenach genießen kann.“
Mein Lieblingsplatz oder auch Lieblingsobjekt ist eine kleine halbrunde Bank am Ende des sogenannten Tugendpfads, der an der Nordwestseite der Wartburg beginnt und um die Burg herum bis zur Südostecke des Palas führt. Im 19. Jahrhundert war der dichtbewachsene und schmale Pfad, der sich an den Wehrmauern der Burg entlang schlängelte, noch nicht für Besucher geöffnet. Der Burgherr Großherzog Carl Alexander hat hier „in heimlicher Stille“ seine ganz privaten Spaziergänge unternommen.
Seit 2007 kann jeder Gast über den nun gut ausgebauten Weg wandern und sich dabei über den Burgenbau im Mittelalter informieren. Nahe beim Eingang liegt ein Burgenbauplatz mit einer vollausgestatteten und funktionstüchtigen Schmiede. Nebenan befindet sich eine kleine Ausstellung alter Werkzeuge und auch ein Ochsenkarren ist zu besichtigen. Mit solchen Fahrzeugen wurden im Mittelalter die Baumaterialien transportiert. Vor der westlichen Mauer der Burg stehen eine Bauhütte und ein hölzerner Galgenkran mit Querbalken, an dem eine Steinzange zum Heraufziehen der großen Steine und Balken befestigt ist.
Auf dem Weg zur Treppe am Südturm ragen die Bauten der Wartburg empor. Man wandert vorbei an der Vogtei, dem Margaretengang, der Dirnitz und dem Gadem. Wer die Burg nicht über die Treppe wieder betritt und noch einige Meter weiter geht, der umrundet die südliche Wehrmauer und gelangt an ihrem Ende zum mittelalterlichen Palas. Setzt man sich dort auf die halbrunde Bank, hat man fast 900 Jahre Geschichte im Rücken und kann noch ein wenig über die Baugeschichte nachdenken: Etwa 8.000 Tonnen Baumaterial stecken in dem imposanten Gebäude; mit Mauern, Türmen und Wirtschaftsgebäuden wurden auf der Burg rund 40.000 Tonnen verbaut. In Ochsenkarren gerechnet, waren das 60.000 Fuhren – würde man die Karren aneinanderreihen, wäre das ein Zug von 360 Kilometern, eine Strecke, die etwa der Luftlinie von Eisenach bis nach Maastricht entspricht! Aus dieser niederrheinischen Stadt kamen übrigens auch die Steinmetze, die am Palas arbeiteten und zuvor am Maastrichter Dom gebaut hatten.
Natürlich kann man auch über die Geschichte nachdenken, die sich in den Mauern der Burg abgespielt hat und sich vorstellen, dass schon die Landgrafen von Thüringen, die Minnesänger oder die Heilige Elisabeth aus den Fensters des Palas geblickt haben. Oder man genießt ganz einfach nur den herrlichen Blick in die Thüringer Landschaft, der sich von der Bank am Ende des Tugendpfads bietet…
Auf der Bank am Ende des Tugendpfads kann man zu den Öffnungszeiten der Wartburg Platz nehmen. Noch mehr Informationen zum mittelalterlichen Burgenbau liefert das Buch „Dachsbeil, Wolf und Vogeltrage. Der Baubetrieb auf der mittelalterlichen Wartburg“, welches in unserem Museumsladen erhältlich ist.