Der Velsbachstein unterhalb der Wartburg
Thomas Bell, Handwerker in der Bauhütte der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats November vor:
„Der sogenannte Velsbachstein ist ein unscheinbares Steinmonument, dessen Name an einen Eisenacher Ratsherrn erinnert, der im 13. Jahrhundert mit einer Blide (Steinschleuder) von der Wartburg in Richtung Eisenach geschleudert worden sein soll. Nachdem der Stein einige Zeit in der Restauratorenwerkstatt verbracht hat, konnte ihn die Bauhütte der Wartburg im Sommer wieder an seinem Platz aufstellen.“
Der Velsbachstein fällt wohl nur den wenigsten Besuchern der Wartburg auf, weil er sich einige Meter unter dem Droschkenplatz auf einer steil abfallenden Wiese befindet. Obwohl gleich drei Geschichten mit dem Gedenkstein verbunden sind, hat er seinen Namen von Heinrich Velsbach (auch Welsbach oder Felsbach) bekommen, der zur Zeit des thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs Ratsherr in Eisenach gewesen ist und an dieser Stelle den Tod gefunden haben soll.
Nach dem Tod des kinderlosen Landgrafen Heinrich Raspe begannen 1247 zum Teil kriegerisch ausgefochtene Erbstreitigkeiten, die bis 1263 andauerten. Sowohl der Markgraf von Meißen, Heinrich der Erlauchte, als auch Sophie von Brabant erhoben damals Anspruch auf das ludowingische Gebiet. Die Tochter der hl. Elisabeth wollte das Thüringer Land für ihren Sohn Heinrich, „das Kind von Brabant“, sichern. Als allerdings Heinrich der Erlauchte siegreich aus dem Konflikt hervorging, ließ er die Eisenacher Anhänger von Sophie hart bestrafen. Während einige Ratsherren ihre Parteinahme den Kopf gekostet soll haben, übte der Markgraf an Heinrich Velsbach besonders grausame Rache, weil der weiter auf dem Recht von Sophie und ihrem Sohn beharrte. Mit einer Blide soll der Ratsherr von der Wartburg geschleudert worden sein und dabei ausgerufen haben: „Und das Thüringer Land gehört doch dem Kinde von Brabant!“ Nachdem Velsbach die Tortur zweimal überlebt hatte, starb er schließlich nach dem dritten Schleudern.
Zwar berichten schon mittelalterliche Chroniken von dem „fliegenden Ratsherrn“, dass der Stein allerdings sein Denkmal darstellt, kam wohl erst im 19. Jahrhundert auf. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier vielmehr um den Pfeiler eines Bildstocks oder Kreuzes aus dem nahegelegenen Franziskanerkloster St. Elisabeth. Eine andere Geschichte geht nämlich auf die Überlieferung des Chronisten Johannes Rothe zurück, der in seiner Verslegende über die hl. Elisabeth beschrieben hat, dass an dieser Stelle „nahe der Kniebreche“ das legendäre Rosenwunder stattgefunden hat. Die Franziskanermönche sollen den Ort des Wundergeschehens deshalb mit einem Kreuz gekennzeichnet haben.
Die dritte Deutung, dass der Stein das Grab des 1548 nach jahrelanger Haft im Südturm der Burg gestorbenen Wiedertäufers Fritz Erbe markiert, gilt schon lange als widerlegt. Und 2006 wurde bei Ausgrabungen am ehemaligen Kloster am Elisabethplan auch ein Skelett gefunden, dass möglicherweise Fritz Erbe zugeschrieben werden kann.
Der sogenannte Velsbachstein unterhalb des Droschkenplatzes ist jederzeit zu besichtigen.