Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg

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Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek
Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek

Kerstin Böttger, Mitarbeiterin im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Januar 2022 vor:

„So wie ich wird sich sicher auch mancher Gast der Wartburg schon gefragt haben, warum ein stolzer Löwe auf dem Dach des Palas thront und welche Bedeutung er hat. Und dabei weiß kaum jemand, dass die majestätische Raubkatze circa 100 Jahre lang sogar Gesellschaft von einem Drachen in der luftigen Höhe hatte. Der Löwe und seine Geschichte sind deshalb mein Lieblingsobjekt des Monats Januar 2022.“

Galerie

  • Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek
    Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek
  • Der Drache auf dem nördlichen Giebel des Palas, 1897/98, Fotografie, retuschiert von Albert Kurz, Wartburg-Stiftung, Fotothek
    Der Drache auf dem nördlichen Giebel des Palas, 1897/98, Fotografie, retuschiert von Albert Kurz, Wartburg-Stiftung, Fotothek
  • Arbeiten an der Löwenfigur auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Bernhard von Arnswald, 1852, Graphit, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G1634
    Arbeiten an der Löwenfigur auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg, Bernhard von Arnswald, 1852, Graphit, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G1634
  • Der Palas der Wartburg von Nordwesten, 1897/98, Fotografie, retuschiert von Albert Kurz, Wartburg-Stiftung, Fotothek
    Der Palas der Wartburg von Nordwesten, 1897/98, Fotografie, retuschiert von Albert Kurz, Wartburg-Stiftung, Fotothek

Die Entstehung des Löwen auf dem südlichen Giebel des Palas führt uns zurück in die Zeit der großen Verwandlung der Wartburg von einer zwar malerischen, aber nicht mehr vollständig erhaltenen Burganlage in die stolze Feste, die bald als Nationaldenkmal gefeiert werden sollte. Nachdem Entschluss des großherzoglichen Hauses von Sachsen-Weimar-Eisenach die Wartburg wiederherzustellen, wurde zuerst der mittelalterliche Palas renoviert und restauriert. Als mit dem Bau des neuen Dachstuhls die letzten Arbeiten an der Architektur kurz vor der Vollendung standen, begann man auch die Ausführung der bekrönenden Tierfiguren auf den Giebeln – ein Löwe auf dem südlichen und ein Drache auf der nördlichen Seite – zu planen. Drachen und Löwen gehörten in der romanischen Kunst oft zu den Bildprogrammen der Kunstwerke und auch auf der Wartburg begegnet man ihnen an Kapitellen, Säulen und anderen mittelalterlichen Architekturteilen. Der Wartburgarchitekt Hugo von Ritgen hat die beiden Wesen deshalb auch vielfach in seinen Entwürfen dargestellt und schon in seiner ersten Zeichnung des Palasdachs einen Drachen auf dem nördlichen Giebel als Symbol der Klugheit und Wachsamkeit vorgesehen. Die gleiche Funktion sollte auch der Löwe erfüllen, der vor allem aber auch das Wappen der Landgrafschaft Thüringen zierte.

1852 wurde der Löwe in der Werkstatt des Hofmauermeisters Hahn zunächst roh gehauen und anschließend auf die Wartburg gebracht. Vollendet wurde er durch den Bildhauer Konrad Knoll, der auf Empfehlung von Moritz von Schwind auf die Wartburg gekommen war und bis 1854 außerdem die Modelle für die Binderfiguren im Festsaal und den Drachen an der Treppe im Sängersaal schuf. Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Landgrafenhauses war allerdings schon wegen seiner Entstehungsumstände das spektakulärste Werk, denn das Tier musste an Ort und Stelle vollendet werden. Zu diesem Zweck wurde die Skulptur in zwei Teilen zu ihrem Standort transportiert und Konrad Knoll gab ihr in luftiger Höhe die endgültige Form.

Wie es in „Knolls Lufthaus und Löwenzwinger“ an einem stürmischen Tag zuging, hat Bernhard von Arnswald, der Kommandant und Chronist seiner Zeit auf der Wartburg, eindrucksvoll in einer Bleistiftzeichnung festgehalten. Nach der Vollendung schrieb er an Erbgroßherzog Carl Alexander, der Löwe ziere „äußerst stattlich die höchste Zinne“, wenn auch der Künstler ihn „etwas zu frei behandelt“ habe. Das Modell für den Drachen auf dem nördlichen Giebel, an dem Knoll nun arbeitete, trage da weit mehr das „Gepräge des byzantinischen [romanischen] Styles. Ich glaube, die Wetterhexen scheuen sich nun noch mehr in ihren Wolkengestalten die Wartburg zu überfliegen, so wüthend wachsam` Gesicht zeigt dieser Drache.“

Eine alte Fotografie der Wartburg zeigt, wie Drache und Löwe gemeinsam über die Wartburg gewacht haben. Wie so viele Kunstwerke des 19. Jahrhundert wurde jedoch der Drache in den 1950er Jahren als unpassend eingestuft und musste seinen Platz räumen. Der Löwe durfte bleiben; er blickt heute noch majestätisch in das Land und begrüßt die Gäste der Wartburg.

Der Löwe auf dem südlichen Giebel des Palas der Wartburg ist schon aus der Ferne und natürlich auch zu den Öffnungszeiten der Burghöfe zu sehen.

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