Der Gemüse- und der Kräutergarten in der Sonderausstellung „Luther im Exil. Wartburgalltag 1521“ auf der Wartburg
Markus Gast, Gärtner auf der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Juni 2021 vor:
"Der Gemüsegarten, der eigens für diese Ausstellung im Kommandantengarten auf der Wartburg angelegt wurde, ist nach den kalten Monaten endlich bepflanzt worden und nun können die Gäste sehen, welche Gemüse auch schon Martin Luther gegessen hat. Welches Kraut bei seinen Verdauungsbeschwerden geholfen haben könnte, ist im Kräutergarten der Wartburg zu erfahren."
Der Gemüsegarten der Lutherzeit besteht aus vier großen Kastenbeeten, wie sie auch auf Darstellungen des 16. Jahrhunderts zu finden sind. Hier sind die gebräuchlichsten Nutzpflanzen der Zeit um 1500 angepflanzt. Dazu zählen Rübengewächse, die wir heute auch kennen, so etwa Herbstrübe, Winterrettich und Möhre oder Pastinake, und Mangold. Heute wohl nur wenigen bekannt ist Stielmus oder Rübstil, ein kleiner Verwandter der Mai- und Herbstrüben. Die Blätter kann man ähnlich wie Mangold zubereiten, die Rübchen sind sehr klein und zart. Weiter gibt es Krausen und Ewigen Kohl, Lauch, Schalerbsen, Puffbohnen sowie Gurke. Erbsen und Bohnen wurden zum Beispiel nach der Ernte getrocknet, damit man sie das ganze Jahr über zermahlen und dann Brei daraus kochen konnte. Möhren und Pastinaken hat man in Erdmieten gelagert.
Die jetzt auf der Burg vorhandenen Flaschenkürbisse und Melonen hat Luther übrigens in seinem Wittenberger Garten sogar selbst angebaut und sich dafür die Samen schicken lassen. Ob der dann mit dem wichtigsten Werkzeug vor 500 Jahren – einem hölzernen Spaten mit einem Eisenbeschlag an der Blattspitze – auch selbst die Gartenarbeit erledigt hat, wäre spannend zu wissen. Die Nachbildungen von Spaten aus dieser Zeit sind zu besichtigen und neben den Beeten steht eine Regentonne, aus der die Pflanzen mit einem Gießheber – einer zeitgenössischen Variante unserer heutigen Gießkanne – bewässert werden können. Auf einem Pflanztisch hinter dem Küchengebäude sind zwei heute eher seltene Obstgehölze in Töpfen aufgestellt, deren Samen oder Kerne häufig bei archäologischen Grabungen entdeckt werden: die Echte Feige und die Bitterorange (Pomeranze).
Für die Wartburg ist so ein Nutzgarten eine Premiere, denn aus Platzmangel befand er sich ursprünglich nicht auf dem Burggelände. Das zur Versorgung der Burgbewohner notwendige Gemüse, aber auch Fleisch oder Fisch wurden aus den Siedlungen des Amtsbezirks Wartburg im Frondienst geliefert oder auf städtischen Märkten hinzugekauft.
Anders steht es mit dem zweiten Garten auf der Burg, denn ein Kräutergarten könnte sich schon früher zwischen Zisterne und Südturm befunden haben. An diesem geschützten Ort ist die Sonneneinstrahlung immerhin am wirksamsten. Wie schon im Mittelalter wurden auch im 16. Jahrhundert Kräuter für die Heilkunde und als Würzzutaten für die Küche angepflanzt. Weil Salz und Pfeffer oft teuer und selten waren, wurden die Speisen vor allem mit heimischen Kräutern und Gewürzen verfeinert. Über die heilende Wirkung der Pflanzen wurden Kräuterbücher mit Anwendungen und Rezepten gedruckt. Ein Original des 16. Jahrhunderts ist auch im Innenbereich der Ausstellung „Luther im Exil. Wartburgalltag 1521“ zu sehen. Wie im 16. Jahrhundert üblich sind die Pflanzen in sechs Kastenbeeten nach ihrer jeweiligen Wirkung geordnet: Magen- und Darmleiden, Nieren- und Blasenbeschwerden, Leber- und Galleerkrankungen, Herz- und Kreislaufkrankheiten, zur beruhigenden Wirkung sowie zur Wundbehandlung.
Der Gemüsegarten der Lutherzeit und der Kräutergarten am Südturm sowie sieben weitere Stationen im Burggelände, die über den Alltag auf der Wartburg im 16. Jahrhundert berichten, können während der Öffnungszeiten besichtigt werden.