Das sogenannte Pirckheimer Stübchen in der Vogtei der Wartburg

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Pirckheimer Stübchen
Pirckheimer Stübchen

Ronny Stieler, Elektromeister und IT-Verantwortlicher der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Januar 2023 vor:

„Das sogenannte Pirckheimer Stübchen in der Oberen Vogteistube ist mein Lieblingsobjekt, weil es nicht nur eine tolle Raum-in-Raum- Situation darstellt, sondern auch weil es darüber eine Menge zu berichten und auch Irrtümer aufzuklären gibt.“

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  • Das sogenannte Pirckheimer Stübchen in der Vogtei der Wartburg
    Das sogenannte Pirckheimer Stübchen in der Vogtei der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KM0132, Foto: Wartburg-Stiftung, Rainer Salzmann
  • Blick in das sogenannte Pirckheimer Stübchen
    Blick in das sogenannte Pirckheimer Stübchen, Foto: Wartburg-Stiftung, Rainer Salzmann
  • Die Obere Vogteistube als Bibliothek und Lesezimmer
    Die Obere Vogteistube als Bibliothek und Lesezimmer, Foto: Wartburg-Stiftung, Fotothek

Bei einem Rundgang durch die Innenräume der Burg geht man auf dem Weg zur Lutherstube durch die Obere Vogteistube, die zu Luthers Zeit sehr wahrscheinlich der Amtmann Hans von Berlepsch bewohnt hat. Seit dem 19. Jahrhundert beherbergt sie einen weiteren Raum: das sogenannte Pirckheimer Stübchen. Schaut man durch die geöffnete Tür an der Längsseite, erstreckt sich ein kleiner, schmaler Raum mit filigranen Verzierungen unter einem eindrucksvollen Netzgewölbe. Es fällt auf Anhieb nicht schwer, sich vorzustellen, dass an dem Tisch vor dem Fenster der berühmte Humanist Willibald Pirckheimer seine Studien betrieben hat, zumal auch die Inschrift an der äußeren Wand erklärt: „Dieses Stübchen Wilibald Pirkheimers im Imhofschen Hause zu Nürnberg wurde durch die Großherzogin Sophie von Sachsen Weimar angekauft und im August 1867, hierherauf versetzt.“
Der bemerkenswerte kleine Raum gehört zur Kunstsammlung der Wartburg, für die im 19. Jahrhundert nicht nur kostbare Kunstschätze, sondern eben auch ganze Zimmer erworben wurden. Im Museum in der Dirnitz der Wartburg befindet sich beispielsweise das Schweizer Zimmer aus dem Gasthaus „Zur Krone“ in Grüsch, das Großherzog Carl Alexander 1864 während einer Reise in die Schweiz gekauft hatte.
Das sogenannte Pirckheimer Stübchen wurde 1863 von dem Kunsthistoriker Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck in Nürnberg erworben. Er bot es Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach zum Kauf an, die es ihrem Gemahl Großherzog Carl Alexander noch im gleichen Jahr zu Weihnachten geschenkt hat.

Das „sogenannt“ vor „Pirckheimer Stübchen“ ist übrigens in mehrfacher Hinsicht wichtig und zu beachten, denn erstens galt der Raum zwar lange Zeit als Studierzimmer von Willibald Pirckheimer, weil dort Dokumente aus seinem Besitz gefunden worden sind. Doch tatsächlich hat das Haus mit dem „Stübchen“ dem berühmten Humanisten nie gehört. Sein Enkel Willibald Imhoff hat es 1564 erworben und dort wahrscheinlich auch die Dokumente seines Großvaters aufbewahrt. Der Erstbesitzer war immerhin auch ein berühmter Mann: Der Drucker und Verleger Anton Koberger, der unter anderem 1493 die Schedelsche Weltchronik herausgegeben hat. Dass zum Zweiten das „sogenannt“ auch für die Bezeichnung „Stübchen“ gilt, ist wohl eher etwas für Kenner und Fachleute, die eine Stube als beheizbaren Raum mit entsprechenden Konstruktionsformen definieren. Spannend ist aber, dass es sich hier stattdessen um ein herausragendes und frühes Beispiel eines ganz neuen Raumtyps handelt. Das „Stübchen“ ist nämlich eher eine sehr aufwändig und präzise gearbeitete Schrankkonstruktion mit einer selbsttragenden Decke, die von einem Schreiner aus verschiedenen, zum Teil sehr edlen Holzarten geschaffen wurde.

Obwohl sie aus der gleichen Stadt stammen und sich im gleichen Raum befinden, haben übrigens das „Pirckheimer Stübchen“ und der Nürnberger Erker ursprünglich nichts miteinander zu tun. Der Erker stammt aus dem Harsdörferschen Haus in Nürnberg und kam 1872 mit den Heiligenbildern der dazu gehörigen Kapellenausstattung auf die Wartburg – abermals als Geschenk von Großherzogin Sophie an ihren Gemahl. Für Carl Alexander stellte die Obere Vogteistube mit ihrer wertvollen Ausstattung ein privates Refugium im Geist der Reformationszeit und Renaissance dar, er hat sie als Bibliothek und das sogenannte Pirckheimer Stübchen als Lesezimmer genutzt.

Das sogenannte Pirckheimer Stübchen ist zu den Öffnungszeiten des Museums zu besichtigen.

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