Brettspielkasten Egerländer Arbeit, vor 1658, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KH0047

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Brettspielkasten (Außenseite), Egerländer Arbeit, vor 1658, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KH0047 © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
Brettspielkasten (Außenseite), Egerländer Arbeit, vor 1658, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KH0047 © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann

Rainer Salzmann, Fotograf und Mitarbeiter der Fotothek, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats August vor:

„Als Fotograf auf der Wartburg hat man die Gelegenheit, den Schätzen in der Kunstsammlung der Wartburg ganz besonders nahe zu kommen. Bei den fotografischen Aufnahmen des Egerländer Brettspiels konnte ich das tolle Stück nicht nur aus der Nähe bewundern, ich habe auch gleich Lust auf eine Partie Backgammon oder Dame bekommen.“

Galerie

  • Brettspielkasten (Außenseite), Egerländer Arbeit, vor 1658, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KH0047 © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
    Brettspielkasten (Außenseite), Egerländer Arbeit, vor 1658, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KH0047 © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
  • Innenseite des Egerländer Brettspielkastens © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
    Innenseite des Egerländer Brettspielkastens © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
  • Der Raub der Proserpina auf dem Egerländer Brettspielkasten © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann
    Der Raub der Proserpina auf dem Egerländer Brettspielkasten © Wartburg-Stiftung, R. Salzmann

Es ist echt erstaunlich, wie alt die Brettspiele sind, die heute zur Standardausrüstung von Spielen in vielen Familien gehören. Der kostbare Brettspielkasten ist ja schon über 350 Jahre alt, aber die Spiele, die man damit spielen kann, sind sehr viel älter. Die Ursprünge von Backgammon werden schon im alten Ägypten vermutet. Auch die Griechen und vor allem die Römer haben schon Varianten des Spiels gespielt. Nach dem Untergang des römischen Reiches fast vergessen, wurde es im Mittelalter wieder entdeckt. Nicht nur Könige haben es gespielt, auch in Klöstern war das Spiel sehr beliebt. Natürlich war der Name noch nicht Backgammon, sondern Trictrac oder Wurfzabel. Ein anderer Name war übrigens Puff – vom Geräusch des fallenden Würfels – und tatsächlich kommt der heute bekannte Name einschlägiger Etablissements von diesem Spiel: Dort wurden nämlich auch Glücksspiele gespielt. Backgammon ist eine Mischung aus Strategie- und Glücksspiel; das ebenfalls schon im Mittelalter bekannte Dame-Spiel braucht dagegen strategisches Können. Praktisch ist, dass man dafür ein Schachbrett und die Steine von einem Backgammon nutzen kann.

Der kostbare Brettspielkasten aus dem 17. Jahrhundert besteht aus zwei Teilen, die von Messingscharnieren zusammengehalten werden. Aus Intarsien – kunstvolle Einlegearbeiten aus Holz – und Reliefs sind Bilder und zahlreiche Ornamente zusammengesetzt. Auf der Außenseite befindet sich zum einen das Brett für das Damespiel, zum anderen eine bildliche Darstellung. Aufgeklappt kann man innen das Trictrac-Spielfeld sehen.

Die Szene auf der Schauseite zeigt vier Rösser vor einem Wagen, auf dem ein Mann eine sich heftig aufbäumende Frau in den Armen hält. Es handelt sich um den Raub der Proserpina (in der griechischen Mythologie Persephone). Pluto (Hades) hat sich unsterblich in die schöne Tochter der Göttin Ceres (Demeter) verliebt und verschleppt sie sichtbar gegen ihren Willen in die Unterwelt. Die Göttin sucht ihre Tochter auf der Erde und muss schließlich erfahren, dass sie in der Unterwelt festgehalten wird. In ihrem Zorn befiehlt Ceres den Pflanzen nicht mehr zu wachsen, so dass die Erde schon zu veröden beginnt. Auf Anweisung von Jupiter (Zeus) muss Pluto die schöne Proserpina freilassen, überredet sie aber noch, ein paar Granatapfelkerne zu essen. Allerdings kann der, der in der Unterwelt Nahrung zu sich nimmt, nicht mehr dauerhaft auf der Erde leben. Der Kompromiss: Proserpina herrscht vier Monate im Jahr als Königin in der Unterwelt und Ceres lässt genau in dieser Zeit keine Pflanzen auf der Erde wachsen. Es wird Winter.

Umso mehr Blüten befinden sich dafür auf dem Rahmen des Spielkastens, dem Spielbrett des Damespiels und auf den schwarzen und weißen Spielsteinen, die jeweils mit einer Blume verziert sind. Dreht man die Steine jedoch um, so können die römischen Kaiser der Antike gegen die Herrscher des 14. bis 17. Jahrhunderts antreten. Jeder Stein ist mit einem Bildnis verziert.

Das außergewöhnliche Brettspiel befindet sich im Museum der Wartburg und ist während der Öffnungszeiten zu besichtigen.

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