

Die Kunstsammlung der Wartburg Goethes musealer Gedanke
Der 1815 formulierte Plan, das Baudenkmal auch mit sakralen Schnitzwerken „auszuzieren“, geht auf Johann Wolfgang von Goethe zurück, kam jedoch nicht zustande. Erst seit Beginn der baulichen Erneuerung und mit dem Ziel, das Denkmal nun auch würdig auszustatten, entfaltete sich eine rege Sammeltätigkeit.

Eine europäisch geprägte Kunstkammer
In Erinnerung an Goethes musealen Gedanken legten die Großfürstin Maria Pawlowna und ihr Sohn Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach den Grundstock für eine europäisch geprägte Kunstkammer, deren Sammlungsschwerpunkte sich bis heute an den wichtigsten historischen und architekturgeschichtlichen Epochen der Wartburg orientieren. Mit Glanzlichtern aus der Wartburg-Sammlung, die heute insgesamt etwa 9.000 Objekte umfasst, illustriert der Gang durch das Museum die Geschichte der Wartburg auf eindrucksvolle Weise.
Sogenannte Wartburg-Bibel
Bibel in der Übersetzung Martin Luthers, gedruckt bei Hans Lufft, Wittenberg 1541
Biblia: das ist:/ Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch/ Auffs New zugericht./D. Mart. Luth./ Begnadetmit Kür-/ fürstlicher zu Sachsen Freiheit. Gedrückt zu Wittenberg, durch Hans Lufft./ M.D.X L l
Der wichtigste Bibeldrucker Luthers, Hans Lufft, hat 1534 die erste Lutherische Vollbibel herausgegeben, der einige korrigierte Nachdrucke noch zu Lebzeiten des Reformators folgten. Im Sommer 1539 nahmen Luther und seine Mitarbeiter die erste große Revision der Bibel in Angriff, deren Ertrag bereits zu Teilen in dieses Exemplar einfloss. Der ideelle Wert und die Einzigartigkeit dieser Bibel liegen vor allem in den Einträgen Luthers und einiger seiner Mitstreiter. Der Spiegel des Buchdeckels enthält eine auf 1542 datierte Widmung von Luther, darunter verewigte sich Philipp Melanchthon. Notizen des Erstbesitzers dieser Bibel, des Hallenser Stadtrichters Wolfgang Wesemer, begleiten den gesamten Text.
Reliquienkästchen
Limoges, Beginn 13. Jahrhundert, Holzkern, Kupferplatten, Grubenschmelz
Im Südwesten Frankreichs, um die Stadt Limoges, entstanden in 12. Jahrhundert Manufakturen, die aus verlötetem Kupfer liturgisches Gerät herstellten und ganz Europa belieferten. Flache Vertiefungen im Kupfer (Gruben) wurden mit Glasfluss gefüllt, aufgebrannt und verschliffen. Dieses Kästchen in Schreinform bekrönt von einem durchbrochen Dachfürst diente zur Aufbewahrung einer Reliquie.
Wandbehang „Vita der heiligen Elisabeth“
Basel, um 1480/90, Wolle gefärbt und Leinen
Der Behang illustriert Ereignisse aus den letzten vier Lebensjahren der späteren heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231) nach ihrem Weggang von der Wartburg im Jahr 1228.
Quinterne
Hans Ott (Oth), Nürnberg, um 1450, Ahorn und Fichte
Korpus, Hals und Wirbelkasten dieser kleinen Laute sind aus einem Stück Ahorn gefertigt. Die Resonanzdecke besteht aus Fichte und hat ein besonders filigran geschnitztes Schallloch, das als Rose ausgestochen ist.
Im Innern befindet sich ein Zettel mit roten Buchstaben: „Hans Oth, Nuremberg“. Dieser bedeutende Meister war bis 1463 in der fränkischen Metropole nachweisbar.
Romanisches Aquamanile
niedersächsisch, 1. Hälfte 12. Jahrhundert, Gelbguss
Ein Aquamanile – „aqua“ (Wasser), „manus“ (Hand) - ist ein Gerät für die Handwaschung der Priester in der Messe, das meist in Tierform gestaltet war.
Doch auch an den Höfen weltlicher Herrscher waren solche Gießgefäße im profanen Bereich sehr beliebt. Dieser gedrungene Löwe mit seinen aufgerissenen Augen und hochgezogenen Nüstern ist ein besonders imposantes Exemplar.
Gotische Harfe – sogenannte „Wartburgharfe“
alpenländisch, nach 1450, Ahorn, Certosina-Mosaik
Die längliche Form dieses Instrumentes unterscheidet sich deutlich von den gedrungenen Harfen des Mittelalters. In Resonanzkörper und Säule wurden Ornamente aus Bein und Ebenholz in Certosina-Mosaik eingelegt.
Als obere Intarsie an der Säule ist das Wort „wann“ gebildet, das bis heute Rätsel aufgibt – möglicherweise gehörte die Harfe dem Minnesänger Oswald von Wolkenstein, der viele seiner Lieder so einleitete.
Zweigeschossiger Schrank - „Dürerschrank“
fränkisch (Nürnberg), um 1515, Linde, Kirsche, Esche
Dieser Schrank gehört zu den besonderen Kostbarkeiten der Wartburg-Sammlung und wurde bereits bei seinem Ankauf 1841 „nach Aussage Sachverständiger als etwas Außerordentliches geschätzt“.
Für die Reliefschnitzereien dienten Grafiken Albrecht Dürers, Motive des italienischen Meisters Moderno und ein Detail aus Lucas Cranachs „Adam und Eva“ als Vorlagen. Die gelungene Umsetzung in szenische Reliefs, das faszinierende Licht-Schatten-Spiel der glatten Flächen, des spätgotischen Rankenwerks und die Verwendung der verschiedenen Hölzer zeugen vom hohen Können des wahrscheinlich Nürnberger Meisters.
Leuchterengel-Paar
Werkstatt Tilman Riemenschneider, um 1510, Lindenholz
Riemenschneiders volksnahe und lyrische Figuren unterscheiden sich bereits in einigen Elementen von der spätgotischen Plastik. Sein Werk steht am Beginn der Neuzeit. Feine Licht-Schatten-Wirkungen und die geschlossene Form der Bildwerke zeugen von der Meisterschaft des Künstlers und seiner Werkstatt.
Das Engelspaar war ein Weihnachtsgeschenk der Großherzogin Sophie an ihren Gemahl Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach, den Begründer der heutigen Kunstsammlung auf der Wartburg.
Die Egloffsteinsche Sammlung historischer Bestecke
vom 14. bis zum frühen 19. Jahrhundert
Eine ganz bemerkenswerte Kollektion historischer Essbestecke befindet sich seit 1843 auf der Wartburg. Der einstige Sammler, Gottfried Friedrich Ernst Freiherr von und zu Egloffstein (1774-1848), übereignete die von ihm zusammengetragenen Schätze der Großherzogin Maria Pawlowna von Sachsen-Weimar für die Ausstattung der Wartburg.
Vom Inventar fürstlicher Kunstkammern abgesehen, ist keine ältere deutsche Bestecksammlung bekannt und zudem bewahrte sie ihr Platz auf der Wartburg vor dem Schicksal von Auktion und Auflösung.
Die rund 650 Messer, Gabeln und Löffel aus einem Zeitraum vom 14. bis zum frühen 19. Jahrhundert zeichnen sich durch eine überwältigende Materialvielfalt aus und stammen vorwiegend aus deutschen bzw. deutschsprachigen Regionen.
Luther als Junker Jörg
Lucas Cranach d.Ä., 1522 (?), Holzschnitt
Das vermutlich letzte grafische Porträt Luthers von der Hand Cranachs d. Ä. ist wohl der Holzschnitt des »Junkers Jörg«.
Kurfürst Friedrich der Weise hatte Luther nach dem Wormser Reichstag in Sicherheit auf seine Grenzfeste Wartburg bringen lassen. Groß war die Angst um sein Leben, sodass er darüber hinaus auch das Äußere grundlegend wandelte. Die Tonsur ließ er wieder zuwachsen, um nicht als Mönch erkannt zu werden, und ein Vollbart veränderte sein Antlitz darüber hinaus ganz entscheidend. Er verließ die schützende Burg allerdings Anfang Dezember 1521 für einige Tage, eilte nach Wittenberg und traf auch seinen »Gevatter Lucas«. Dort saß ihm Luther Modell. Leider ist die Entwurfszeichnung wie die meisten Cranach’schen Skizzen verlorengegangen. Nach dieser Vorlage entstand der Holzschnitt sicher nicht vor Luthers endgültiger Rückkehr nach Wittenberg am 6. März 1522, worauf der lateinische Text über dem Porträt und die Datierung hinweisen: IMAGO MARTINI LVTERI EO HABITV EX= PRESSA QVO REVERSVS EST EXPATHMO VVITTENBERGAM ANNO DOMINI 1522 (Bildnis Martin Luthers, so dargestellt, wie er aus seinem Patmos nach Wittenberg zurückkehrte).
Mittelalter
In die Welt des Mittelalters entführen beispielsweise Gießgefäße - wie das prächtige romanische Löwenaquamanile, ein Dokumentenkasten oder ein Reliquienkästchen als Zeitgenossen des romanischen Palas.
Möbel, Textilien und kostbare Gebrauchsgegenstände sprechen von der Lebensweise in den Herrscherhäusern, ein Baseler Bildteppich des 15. Jahrhunderts erzählt die Vita der heiligen Elisabeth. Eine Tiroler Harfe, die dem letzten Minnesänger Oswald von Wolkenstein zugeschrieben wurde, oder eine reich verzierte Laute erinnern an die kulturelle Blütezeit am Hof der Thüringer Landgrafen.
Renaissance und Reformation
Dass auf der Wartburg Renaissance und Reformation eng ineinander greifen, ist dem Genius Loci geschuldet. Der einzigartige Schrank mit Reliefschnitzereien nach Dürer, die feinen Skulpturen Riemenschneiders oder Lucas Cranachs d. Ä. „Junge Mutter mit Kind“ korrespondieren mit den berühmten Porträts der Eltern Martin Luthers, mit den so genannten Ehebildnissen des Reformators und seiner Ehefrau Katharina sowie einer in der Wittenberger Werkstatt des Hans Lufft gedruckten Bibel, in der Luther seine Anmerkungen hinterließ.
Ein mittelalterlicher Wehrgang führt zur Vogtei, an deren Südseite der berühmte Nürnberger Erker angebracht ist. Schließlich erreicht man die Stube, in der Martin Luther 1521/1522 das Neue Testament ins Deutsche übertrug.