Zündkrautflasche aus Elfenbein Zündkrautflasche, Indien, 17.-18. Jahrhundert, Elfenbein, Messing, 26 x 4 cm, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KE0009

Mario Kranch, Mitarbeiter im Bereich Haustechnik, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Juli 2025 vor: „Auf den ersten Blick vermutet man vielleicht nicht, dass die geschnitzte Pulverflasche weit gereist ist, bis sie ihren Platz auf der Wartburg gefunden hat. Schaut man sich die Schnitzereien aber genauer an, fallen einige Tiere auf, die auf ihre exotische Herkunft schließen lassen. Das Stück hätte sicher eine spannende Geschichte zu erzählen, wenn es könnte…“.
Der heute nicht mehr ganz geläufige Begriff „Zündkrautflasche“ bezeichnet ein Gefäß zur Aufbewahrung des Zündkrauts, eines leicht entzündlichen, mehlartigen Schwarzpulvers. Dieses wurde durch die Öffnung der Flasche auf die Pfanne einer Feuerwaffe geschüttet, angezündet und entzündete schließlich das Schießpulver im Lauf. Die 26 cm lange und im Durchmesser 4 Zentimeter breite Zündkrautflasche besteht aus zwei Stoßzahnenden, die mit Beinstiften miteinander verbunden sind. Der Verschlusshebel ist aus Messing gefertigt. Die Tierschnitzereien sind teilweise dreidimensional, teilweise flach gearbeitet. Zu erkennen sind Hasen, Elefanten, Wiederkäuer oder Hornträger wie Antilopen, Vögel und Großkatzen – entweder als ganze Tiere oder Köpfe. Vorn an der Öffnung für das Zündkraut sind übereinander zwei Antilopenköpfe mit unterschiedlichen Hörnern angeordnet. Zwischen ihnen sieht man die wie zum Sprung bereiten, stark angewinkelten Vorderläufe. Der hintere Teil zeigt zwei Szenen, in denen je eine Großkatze einen Hasen und zwei Hornträger angreift beziehungsweise sich an diese anschleicht. Diese Szenen zeigen wohl auch die Bedeutung der Zündkrautflasche im Zusammenhang mit der Jagd – stellen doch Hasen und Hornträger klassische Jagdbeute dar. Damit gehört das Stück zu einer kleinen Gruppe von Elfenbeinobjekten mit Jagdbezug in der Kunstsammlung der Wartburg.
Doch wann und wie ist die exotische Zündkrautflasche auf die Wartburg gelangt? Über den Zeitpunkt der Anschaffung ist leider ebenso wenig bekannt wie über mögliche Vorbesitzer. Wie so viele andere Dinge wurde sie wohl von Großherzog Carl Alexander oder dessen Nachfolger Wilhelm Ernst zur Ausstattung der Privaträume erworben oder dem Monarchen zu diesem Zweck geschenkt. Erstmals verzeichnet wurde das Gefäß im Inventarbuch von 1906 als Ausstattung des großherzoglichen Wohnzimmers. Dort heißt es auch, die Zündkrautflasche stamme aus Persien und sei im 17. Jahrhundert geschaffen worden. Im Buch „Die Waffen der Wartburg“ von Alfons Diener-Schönberg aus dem Jahr 1911 dagegen wird das Stück als westafrikanische Arbeit des 18. Jahrhunderts bezeichnet.
Und woher stammt das Objekt nun wirklich? Die exotischen Tiere wie Antilopen, Großkatzen und Elefanten sprechen für Südasien oder Afrika – und ein bisschen stimmt sogar beides. Ein Vergleich zeigt, dass diese Objekte als Massenprodukte im 17. und 18. Jahrhundert in Indien gefertigt worden sein müssen, allerdings speziell für den europäischen Markt und in einem indisch-europäischem Stil. Denn ähnliche Zündkrautflaschen finden sich zwar in vielen europäischen Museen und Sammlungen, jedoch kaum in Indien. Dort wurden ganz andere Pulver- und Zündkrautflaschen verwendet. In europäischen Fürstenhäusern bestand zu dieser Zeit eine große Nachfrage an exotischen Dingen aller Art. Und wahrscheinlich kam das Elfenbein sogar aus Westafrika. Portugiesische Kaufleute verschifften nämlich seit dem 16. Jahrhundert afrikanisches Elfenbein nach Indien, wo es von indischen Handwerkern bearbeitet wurde, um dann nach Europa verkauft zu werden – ganz schön global für die damalige Zeit!
Die Zündkrautflasche aus Elfenbein kann während der Öffnungszeiten im Raum „Das Kunsthandwerk“ in der Dauerausstellung der Wartburg besichtigt werden.
Abbildungsunterschriften und -nachweise:
Abb. 1-2: Zündkrautflasche aus Elfenbein. Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. K0009, Foto: Wartburg-Stiftung, Rainer Salzmann.
Abb. 3: Zündkrautflasche aus Elfenbein: Detail mit Antilopenköpfen und Verschluss. Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. K0009, Foto: Wartburg-Stiftung, Rainer Salzmann.