Menükarte aus dem Jahre 1863

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Abb. 1: Menükarte aus dem Jahr 1863: „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“
Abb. 1: Menükarte aus dem Jahr 1863: „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“

Malaika Muwanya, wissenschaftliche Volontärin, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats Juni 2025 vor: „Die Sammlung historischer Menükarten auf der Wartburg ist für mich etwas ganz Besonderes. Einer dieser Speisezettel aus dem Jahre 1863 ist nicht nur das älteste Exemplar, mit seiner kunstvollen Gestaltung und den aufwendig verschnörkelten Lettern zeugt er von einem besonderen Anlass.“

Galerie

  • Abb. 1: Menükarte aus dem Jahr 1863: „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“
    Abb. 1: Menükarte aus dem Jahr 1863: „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“
  • Abb. 2: „Der Empfang der Künstler auf der Wartburg“, aus der Zeitschrift „Gartenlaube“ 1863
    Abb. 2: „Der Empfang der Künstler auf der Wartburg“, aus der Zeitschrift „Gartenlaube“ 1863
  • Abb. 3: Menükarte vom 23. April 1894: Betende Pilger im Wartburgtal, inspiriert von Richards Wagners Oper „Tannhäuser“, Emil König
    Abb. 3: Menükarte vom 23. April 1894: Betende Pilger im Wartburgtal, inspiriert von Richards Wagners Oper „Tannhäuser“, Emil König
  • Abb. 4: Menükarte vom 19. September 1896: Brunnen im Hof der Vogtei der Wartburg, Emil König
    Abb. 4: Menükarte vom 19. September 1896: Brunnen im Hof der Vogtei der Wartburg, Emil König
  • Abb. 5: Menükarte vom 6. Oktober 1896: Blick auf Südturm und Zisterne der Wartburg, Emil König
    Abb. 5: Menükarte vom 6. Oktober 1896: Blick auf Südturm und Zisterne der Wartburg, Emil König
  • Abb. 6: Menükarte: Blick in die Hofküche im Palas der Wartburg, Emil König, nicht datiert (vor 1897)
    Abb. 6: Menükarte: Blick in die Hofküche im Palas der Wartburg, Emil König, nicht datiert (vor 1897)
  • Abb. 7: Menükarte: Blick auf die Wartburg, Emil König, nicht datiert
    Abb. 7: Menükarte: Blick auf die Wartburg, Emil König, nicht datiert
  • Abb. 8: Menükarte vom 24. Oktober 1898: Arkaden des Palas der Wartburg, Emil König
    Abb. 8: Menükarte vom 24. Oktober 1898: Arkaden des Palas der Wartburg, Emil König
  • Abb. 9: Menükarte: Drache an der Treppe der Sängerlaube im Sängersaal der Wartburg, Emil König, nicht datiert
    Abb. 9: Menükarte: Drache an der Treppe der Sängerlaube im Sängersaal der Wartburg, Emil König, nicht datiert
  • Abb. 10: Menükarte vom 25. April 1899: Harnisch aus der Rüstsammlung der Wartburg, Emil König
    Abb. 10: Menükarte vom 25. April 1899: Harnisch aus der Rüstsammlung der Wartburg, Emil König

Im Archiv der Wartburg werden über 620 Menükarten verwahrt, die von der Traditionsküche und Kulinarik des 19. und 20. Jahrhunderts zeugen und dabei offenbaren, wie sich die Gastgeber der Wartburg durch prunkvolle Bankette inszenierten: Aufwendig arrangierte Speisefolgen wurden von Speisezetteln mit künstlerisch gestalteten Schriften, Aquarellen und Kunstdrucken begleitet – viele davon stammen aus der Feder des Küchenchefs Emil König höchstpersönlich, der seine Exemplare oft mit Ansichten der Wartburg verzierte. Zuweilen verarbeitete er sogar Motive aus Richard Wagners Oper „Tannhäuser“, die bekanntlich ja im Tal vor und auf der Wartburg spielt.

Die Menükarte aus dem Jahre 1863 entstand möglicherweise im Zusammenhang mit dem fünftägigen Künstlerfest, das am 17. August 1863 geladene Kunstschaffende aus aller Welt zur Eröffnung nach Weimar lockte. Neben zahlreichen Reden und akademischem Austausch ließen auch Konzerte, Gesangseinlagen und Theateraufführungen viele Künstlerherzen höher schlagen.    
Zum glanzvollen Abschluss dieses mehrtägigen Ereignisses hatte der fürstliche Burgherr, Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach, die Künstler am 21. August auf die Wartburg eingeladen – eine Offerte, der viele gerne folgten.      
Nachdem der Wald durchschritten und der Berg erklommen war, gewährte Kommandant Bernhard von Arnswald der Menge Einlass. Eindrucksvoll ließ er die eben erneuerte Zugbrücke niederrasseln und führte die begeisterte Schar durch das Tor in das Innere der Burg. Auf der Freitreppe des erneuerten Palas empfing Großherzogin Sophie – mit ihrem Sohn Erbgroßherzog Carl August – die versammelte Kunstgenossenschaft. Ihr Mann hatte sich entschuldigen lassen; er weilte auf dem Fürstentag in Frankfurt.
Ein Trompetensignal verkündete nun die Eröffnung des Banketts, woraufhin sich 500 Gäste in die auf dem Hof hergerichteten Zelte, die Elisabethkemenate und die Schauküche im Erdgeschoss des Palas begaben.    
Das angerichtete Büfett spiegelte eindrucksvoll die Mittelalterbegeisterung des 19. Jahrhunderts wider: Ganz im vermeintlich mittelalterlich-festlichen Stil war es mit Rüstungen, Schleifkannen, Humpen, Auerochsen- und Bärenfellen geschmückt. Selbst bei den Speisen wurde bis in die kleinsten Einzelheiten auf historische Treue Rücksicht genommen.
Die geladenen Gäste erhielten mit eben jener Menükarte aus dem Jahr 1863 einen Überblick darüber, welche Köstlichkeiten der Hofküchenmeister Nebe zum „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“ bot: Neben griechischem Reis, Aal und Salat, erstreckte sich das Fleischangebot von Ochse und Schwein bis hin zu Pfau, Auerhahn und Fasan. Zum Dessert wurde blanc manger, verschiedene Kuchenspezialitäten und knusprige Waffeln serviert. Wer mit der altertümlichen Sprache – eine weitere Anlehnung an den mittelalterlichen Hof –  nicht vertraut war, der konnte sich mit den Übersetzungshilfen am unteren Rand der Menükarte behelfen.

Das Mittelalter kannte solche Menükarten übrigens gar nicht: An königlichen und fürstlichen Höfen war es Brauch, dass Herolde die Speisenfolge laut verkündeten. Die bereits seit dem 12. Jahrhundert gängigen „Küchenzettel“ richteten sich nicht an Gäste, sondern dienten dem Küchenmeister als Merkzettel. Der früheste bekannte Speisenzettel – gerichtet an Gäste – lässt sich erst auf 1784 datieren.      
Vom Bankett des Künstlerfestes 1863 ist gesichert überliefert, dass es nicht nur dem kulinarischen Genuss, sondern auch dem gesellschaftlichen Austausch unter den Künstlern diente. Von Speis und Trank gestärkt versammelten sich die Künstler im beeindruckenden Festsaal des Palas. Dort lauschten sie gespannt den Gesängen verschiedener Solisten. Besonders der Beitrag eines Herrn Niemann aus Hannover ergriff die Menge tief, wie eine zeitgenössische Zeitschrift belegt: „[…] da war die Theilname der den Saal füllenden Menge so gewaltig, daß der Sänger kaum enden konnte, vielmehr Alles von selbst in die Schlussworte einstimmte […] und jeder fühlte und gestand es, daß hier das schöne Fest seinen Gipfelpunkt gefunden haben müsse.“

Dass der Wartburgaufenthalt bei den Künstlern einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen hat, davon zeugen auch zwei Alben mit Porträts von Künstlern der deutschen Kunstgenossenschaft, die diese Großherzogin Sophie zum Dank ein Jahr später in einer kunstvoll gefertigten Schatulle zukommen ließen.

Abbildungsunterschriften und -nachweise:

Abb. 1: Menükarte aus dem Jahr 1863: „Morgenimbisz an des lantgraven hove auf Wartburg“, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0001
Abb. 2: „Der Empfang der Künstler auf der Wartburg“, aus der Zeitschrift „Gartenlaube“ 1863, Wartburg-Stiftung, Archiv, Akte 426, Bl. 83
Abb. 3: Menükarte vom 23. April 1894: Betende Pilger im Wartburgtal, inspiriert von Richards Wagners Oper „Tannhäuser“, Emil König, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0057
Abb. 4: Menükarte vom 19. September 1896: Brunnen im Hof der Vogtei der Wartburg, Emil König, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0077
Abb. 5: Menükarte vom 6. Oktober 1896: Blick auf Südturm und Zisterne der Wartburg, Emil König, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0114
Abb. 6: Menükarte: Blick in die Hofküche im Palas der Wartburg, Emil König, nicht datiert (vor 1897), Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0123
Abb. 7: Menükarte: Blick auf die Wartburg, Emil König, nicht datiert, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0142
Abb. 8: Menükarte vom 24. Oktober 1898: Arkaden des Palas der Wartburg, Emil König, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0146
Abb. 9: Menükarte: Drache an der Treppe der Sängerlaube im Sängersaal der Wartburg, Emil König, nicht datiert, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0157
Abb. 10: Menükarte vom 25. April 1899: Harnisch aus der Rüstsammlung der Wartburg, Emil König, Wartburg-Stiftung, Archiv, Sig. S0179

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