Der Lutherzyklus der Weimarer Malerschule – Teil I

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Luthers Thesenanschlag, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
Luthers Thesenanschlag, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand

Kerstin Böttger, Mitarbeiterin im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats August 2025 vor: „Die achtzehn Lutherbilder von Künstlern der Weimarer Malerschule sind ein eindrucksvolles Zeugnis für die Auseinandersetzung mit dem Leben und Wirken Martin Luthers. Die wichtigsten Stationen lassen sich mit ihnen anschaulich nacherzählen und die ausdrucksstarken Gemälde haben schon so manchen Gast in Staunen versetzt.“

Galerie

  • Abb. 1: Nordwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1917, Fotografie
    Abb. 1: Nordwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1917, Fotografie
  • Abb. 2: Südwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1936, Fotografie
    Abb. 2: Südwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1936, Fotografie
  • Abb. 3: Luther als Kurrendeschüler in Eisenach, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 3: Luther als Kurrendeschüler in Eisenach, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 4: Luthers Freund vom Blitz erschlagen, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 4: Luthers Freund vom Blitz erschlagen, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 5: Luthers Eintritt ins Kloster, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 5: Luthers Eintritt ins Kloster, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 6: Luther entdeckt die Bibel, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 6: Luther entdeckt die Bibel, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 7: Luther sieht Rom, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 7: Luther sieht Rom, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 8: Luthers Thesenanschlag, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
    Abb. 8: Luthers Thesenanschlag, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand
  • Abb. 9: Plakatmotiv zur Nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg
    Abb. 9: Plakatmotiv zur Nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg

Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach fasste in der Zeit der Erneuerung der Wartburg (etwa 1838 bis 1890) den Plan, in der Vogtei im ersten Burghof ein regelrechtes Denkmal der Reformation einzurichten. Im unmittelbaren räumlichen Umfeld um die berühmte Lutherstube sollten drei Reformationszimmer entstehen, die an den großen Reformator Martin Luther und die Reformation erinnerten. Zur Ausgestaltung der 1882 fertiggestellten Zimmer entstand die Idee eines gemalten Zyklus zu Luthers Leben, der die wichtigsten Stationen seiner Biografie umfassen sollte. Nach einiger Suche nach potentiell geeigneten Malern fand der Großherzog sie in den Lehrern für Historienmalerei der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar, die er einige Jahre zuvor gegründet hatte: Ferdinand Pauwels, Paul Thumann, Willem Linnig junior und Alexandre Struys malten im Zeitraum zwischen 1872 und 1882 die achtzehn Werke, die heute Teil der Kunstsammlung der Wartburg-Stiftung sind.

Luthers Bilderbiografie umfasst reformationsgeschichtlich bedeutsame Ereignisse wie den Thesenanschlag, den Reichstag zu Worms oder die Bibelübersetzung auf der Wartburg. Dargestellt  wurden jedoch auch weniger epochale Ereignisse wie Luthers Heirat mit Katharina von Bora oder Luther unter den Pestkranken. Der erste Teil der gesamten Reihe, der hier vorgestellt wird, umfasst sechs Gemälde aus dem Zeitraum von Luthers Kindheit bis zum Thesenanschlag 1517. Sie wurden allesamt von Ferdinand Pauwels geschaffen und zeugen von lebendiger Farbigkeit und großer Ausdruckskraft. In den klaren Darstellungen ist Luther als Hauptperson im Zentrum des jeweiligen Geschehens schnell zu erkennen. Die Gemälde zierten die Wände des nördlichen Reformationszimmers, das eine Ausstattung mit Möbeln und Vertäfelungen der Spätgotik und Renaissance erhielt (Abb. 1, 2).

Der am 10. November 1483 in Eisleben geborene Martin Luder, der sich später in Luther umbenannte, kam als Fünfzehnjähriger nach Eisenach, um an der Pfarrschule St. Georgen zu lernen. Im Haus der verwandten Familie Cotta – dem heutigen Lutherhaus unweit des Eisenacher Marktes – kam er unter und zog, wie damals üblich, mit der Kurrende singend von Haus zu Haus. In Pauwels Gemälde (Abb. 3) steht der textsichere Schüler aufrecht und kraftvoll singend, den Blick erhoben zur vor ihm sitzenden, reich gekleideten Frau Cotta. Das Bild befindet sich übrigens als Leihgabe der Wartburg gewissermaßen „am Ort des Geschehens“ in der Dauerausstellung des Eisenacher Lutherhauses.

Das zweite Gemälde des Bilderzyklus (Abb. 4) thematisiert dagegen den ebenso dramatischen wie legendären Blitzschlag von Stotternheim. Ein schweres Gewitter nahe Erfurt soll den jungen Luther zum Eintritt ins Kloster bewegt haben. Dass dabei ein Freund namens Alexius vom Blitz erschlagen wurde, gehört zwar in den Bereich der Legende, wurde allerdings von Pauwels ausdrucksstark umgesetzt. Während über dem Kornfeld im Hintergrund noch ein Blitz niedergeht, ist das Furchtbare im Vordergrund bereits geschehen: Luthers Freund liegt, vom Blitz getroffen, verkrümmt am Boden. Luther ist neben ihm auf die Knie gesunken, die Hände in größtem Entsetzen an den Kopf gelegt, richtet er den Blick zum Himmel und hält ein Auge zu. „Hilf du, St. Anna, ich will ein Mönch werden!“, soll er angesichts der drohenden Gefahr ausgerufen haben.

Am 17. Juli 1505 trat der junge Luther tatsächlich ins Erfurter Augustinerkloster ein. Diese für ihn sehr prägende Zeit ist in den nächsten drei Gemälden aufgegriffen (Abb. 5–7). Vom jungen Mann reifte er hier zum theologisch versierten Augustinereremiten, dargestellt in Mönchsgewand und Tonsur, dessen neuer Lebensinhalt die Heilige Schrift werden sollte. Er wurde zum Priester geweiht, begann sein Theologiestudium, reiste nach Rom und zog schließlich nach Wittenberg.

Das letzte Werk dieses ersten Teils (Abb. 8) ist das berühmteste des ganzen Zyklus: Der legendäre Anschlag seiner 95 Thesen am 31. Oktober 1517. Mit ihnen wollte er gegen den Missbrauch des Ablasshandels in der Kirche protestieren und eine innerkirchliche Diskussion anregen. Ob der Thesenanschlag mit dem Hammer nun stattfand oder nicht, Luthers 95 Thesen markieren den Beginn der Reformation und Pauwels hat sie in seinem Gemälde wirkmächtig in Szene gesetzt. Mit dem Hammer in der Rechten pocht der inzwischen als Bibelprofessor in Wittenberg lehrende Luther – gut erkennbar am Doktorhut – scheinbar auf seine angenagelten Thesen und präsentiert sie entschlossen vor den drei Männern, die als Zeugen vor ihm stehen. Damit beginnt jene Konfrontation mit der Kirche, die letztlich in der bis heute bestehenden Spaltung der christlichen Kirche münden und Luthers weiteres Leben nachhaltig prägen sollte. Pauwels Darstellung von Luther mit Doktorhut und Hammer ging zum großen Reformationsjubiläum 2017 indes um die Welt und wurde in zahlreichen Publikationen, bei Ausstellungen und digitalen Angeboten abgebildet und nachgeahmt. Für die Nationale Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg inspirierte sie sogar das Titelmotiv (Abb. 9).

Die weiteren Bilder des Lutherzyklus der Weimarer Malerschule werden in naher Zukunft ebenfalls als Objekte des Monats präsentiert. Drei der Gemälde dieses ersten Teils können sie übrigens zu den Öffnungszeiten in der Schaubibliothek der Wartburg bestaunen, gleich hinter der Lutherstube im Museum der Wartburg.

 

Abbildungsunterschriften und -nachweise:

Abb. 1: Nordwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1917, Fotografie, in: Georg Voss: Die Wartburg. Jena 1917

Abb. 2: Südwand des nördlichen Reformationszimmers, anonym, 1936, Fotografie, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Abz_02_0162

Abb. 3: Luther als Kurrendeschüler in Eisenach, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0080

Abb. 4: Luthers Freund vom Blitz erschlagen, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0165

Abb. 5: Luthers Eintritt ins Kloster, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0154

Abb. 6: Luther entdeckt die Bibel, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0123

Abb. 7: Luther sieht Rom, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0122

Abb. 8: Luthers Thesenanschlag, Ferdinand Pauwels, 1872, Öl auf Leinwand, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0121

Abb. 9: Plakatmotiv zur Nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg

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