Der Heiligenschein der Elisabeth Fresken in der Elisabethgalerie im Palas der Wartburg, Moritz von Schwind, 1855
Jürgen Scholz, Restaurator auf der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Oktober 2024 vor: „Alle Gäste der Wartburg kommen auf ihrem Rundgang auch durch die Elisabethgalerie mit den Darstellungen aus dem Leben der heiligen Elisabeth, mit denen der spätromantische Maler Moritz von Schwind ein Meisterwerk geschaffen hat. Schwind galt den Zeitgenossen jedoch als ein zuweilen schwieriger und aufbrausender Charakter, der als Künstler und gläubiger Katholik ganz eigene Vorstellungen hatte und umsetzte. Eine kleine Wartburg-Anekdote rund um den Heiligenschein der thüringischen Landgräfin Elisabeth erinnert mich daran, dass es sich lohnt, nicht jedem Fähnchen zu folgen.“
Der Wiener Künstler Moritz von Schwind malte von 1854 bis 1855 im Palas das nördlich an die Kapelle angrenzende Obergeschoss aus. Es entstanden drei bedeutende Raumkunstwerke der Romantik und zugleich, dem ehemaligen Burghauptmann Günter Schuchardt nach, die schönsten Räume der Burg: das Landgrafenzimmer, die Elisabethgalerie und der Sängersaal, letzterer mit dem wichtigsten und größten Fresko zum Sängerkrieg auf der Wartburg.
Erste Ideen zur künstlerischen Ausgestaltung der Wartburg waren 1849 bei einem Zusammentreffen Schwinds mit dem späteren Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach entstanden. Doch bis zur vertraglichen Einigung sollten noch vier Jahre ins Land gehen, in denen dem Künstler die Burg „wie eine spröde Braut, die ihn nicht aufnehme und auch nicht laufen ließ“ erschien. Ursprünglich sah der Plan vor, das Sängerkriegsbild auf der Hauptwand des Festsaals anzubringen und im Gang vor dem Saal Darstellungen aus dem Nibelungenlied zu verorten. Bauliche Veränderungen von Seiten des Architekten Hugo von Ritgen vereitelten dies zur Entrüstung Schwinds, was wie Geldmangel zur Verzögerung der Vertragsverhandlungen beitrug. Die wiederholt versuchte Eingriff des Architekten in Schwinds künstlerische Freiheit war für ihn Anlass, sich im Vertrag gegen die ihm so verhassten Einmischungsversuche abzusichern. Im Juni 1853 schrieb er: „Gott gebe, dass der Großherzog […] begreifen möchte, dass ein Künstler, je mehr er sich in seine Arbeit einreden lässt; sicher auch ein desto größerer Tropf ist.“
1855 begann Schwind schließlich mit der Ausmalung der Elisabethgalerie. Laut ursprünglichem Entwurf sollte auf der gesamten Länge der Galerie nur eine einzelne Szene mit dem Zug Elisabeths auf die Wartburg verbildlicht werden, was jedoch bei dem schmalen Gang ungünstige Betrachtungsmöglichkeiten geboten hätte und deshalb verworfen wurde. So entstanden sechs hochformatige Szenen aus Elisabeths Leben: die Ankunft der vierjährigen Elisabeth auf der Wartburg, die Legende vom Rosenwunder, Elisabeths Abschied von Ludwig IV., der Weggang Elisabeths von der Wartburg, Elisabeths Tod in Marburg und die Grablegung Elisabeths in Marburg. Zwischen diesen sind in Medaillons die sieben Werke der Barmherzigkeit als Hinweis auf Elisabeths karitatives Wirken angeordnet. Über der Tür zur Kapelle befindet sich ein Kruzifix.
Offenbar gab es im Vorfeld der Ausmalung der Elisabethgalerie Befürchtungen Schwinds, der protestantische Auftraggeber Carl Alexander könne von ihm als überzeugtem Katholiken verlangen, bei den Darstellungen Elisabeths auf einen Heiligenschein zu verzichten: „Die heilige Elisabeth ohne ihre katholische Zutat zu behandeln, hätte mir die ganze Arbeit unmöglich gemacht. Ich würde gleichermaßen […] protestieren gegen die Vertilgung des Tintenflecks im Lutherzimmer. Das sind nun einmal die Wahrzeichen, an die die Pietät gegen die Wartburg geknüpft ist […].“ Doch der kunstsinnige wie konfessionell tolerante Großherzog versicherte dem Maler: „Sie wissen, welchen Teil der Arbeit ich Ihnen übertragen habe. Sie sind frei innerhalb derselben. Deshalb stellen Sie die heilige Elisabeth dar, wie Ihr Gefühl es Ihnen eingibt.“
Eine Bleistiftzeichnung des Wartburgkommandanten Bernhard von Arnswald vermittelt uns einen Eindruck von Moritz von Schwind bei der Arbeit: Sie zeigt ihn Pfeife rauchend und konzentriert malend in der Elisabethgalerie. Arnswald zeichnete in einem Bericht an den Großherzog vom Mai 1855 gleichsam noch ein Bild von dessen ambivalentem Charakter: „Unzufriedenheit, Witze, Humoristisches, Verletztes und Verletzendes, Falkenjagd, Ruhmsucht, Vorwerfendes, Nichtachtendes, Gemüthliches, Herzliches, Verehrendes, Ritterliches, Künstlerisches, Gewöhnliches – Alles entströmt diesem geistigen Vulcan in einer Viertelstunde der Unterhaltung.“ Konvention und Überzeugung dieses „geistigen Vulcans“ führten also – vielleicht auch entgegen anderer Auffassungen – dazu, dass Elisabeth heute einen Heiligenschein trägt.
Bildunterschriften und -nachweise:
Abb. 1 Die Elisabethgalerie mit den Fresken Moritz von Schwinds. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Rainer Salzmann
Abb. 2 Porträt Moritz von Schwinds an der Staffelei, 1862, Fotografie. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Abz_01_0051-51
Abb. 3 Elisabethgalerie, Die Legende vom Rosenwunder, Moritz von Schwind, 1855. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Rainer Salzmann
Abb. 4 Elisabethgalerie, Der Weggang Elisabeths von der Wartburg, Moritz von Schwind, 1855. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Rainer Salzmann
Abb. 5 Elisabethgalerie, Die sieben Werke der Barmherzigkeit: Die Kranken pflegen, Moritz von Schwind, 1855. Wartburg-Stiftung, Fotothek, Rainer Salzmann
Abb. 6 Moritz von Schwind malt in der Elisabethgalerie, Bernhard von Arnswald, 1855, Graphit auf Papier. Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. G1719