Das Kreuz auf dem Bergfried gefertigt von W. Sträubing, Weimar, feuervergoldet von A. Wallack, Weimar, 1858, Holzkern mit blattvergoldeten Kupferplatten, bearbeitet von Werkstatt Günther Laufer, Eisenach, 1946, Höhe: 3,80 m

Daniel Miksch, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Wartburg-Stiftung, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Mai 2025 vor: „Wenn die Frühlingssonne auf die Wartburg scheint, dann strahlt es ganz besonders hell, das Kreuz auf dem Bergfried (Abb. 1). Seit fast 166 Jahren ziert es den großen Turm der Wartburg und steht symbolisch für ihre Bedeutung als christlicher Erinnerungsort.“
Am 11. Juni 1859 bestiegen Hugo von Ritgen, der Architekt der Wartburgerneuerung, und der Burgkommandant Bernhard von Arnswald den Bergfried, um das vergoldete Kreuz auf dessen Spitze feierlich einzuweihen. Gerade erst war der Bergfried als größerer der beiden Türme der Burg im Zuge ihrer Erneuerung zwischen 1838 und 1890 vollendet worden (Abb. 2). Welch bewegte Geschichte den großen Turm und das zentrale christliche Symbol in den darauffolgenden Zeiten noch ereilen sollte, wusste damals freilich keiner von beiden. Umso mehr war ihnen aber die besondere Geschichte der Wartburg und ihre Bedeutung für das katholische und protestantische Christentum bewusst. Zahllose Gläubige beider Konfessionen waren in den zurückliegenden Jahrhunderten schließlich schon auf die Wartburg gekommen, um den Lebens- und Wirkungsort der heiligen Elisabeth und Martin Luthers zu sehen.
Die Heilige weilte zwischen 1211 und 1227 als Gemahlin Landgraf Ludwigs IV. immer wieder auf der Wartburg, der Reformator indes verließ sie nur knappe zehn Monate nach seiner Ankunft am 4. Mai 1521 – vor 504 Jahren – wieder. Untrennbar ist die Wartburg als authentischer Wirkungsort mit dem Leben und Schaffen beider Persönlichkeiten verbunden und deshalb religiöser Erinnerungsort für Gläubige beider christlicher Konfessionen. Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach wollte daher auch gezielt an diese beiden Schwerpunkte der Wartburggeschichte erinnern und das Kreuz als überkonfessionelles Symbol verstanden wissen. In einen seiner Querarme wurde zur Einweihung 1859 eine Glaskapsel mit einem Sinnspruch des Großherzogs und seiner Gemahlin gelegt: Omnia cum Deo – nihil sine Eo! (Alles mit Gott, nichts ohne ihn!).
711 Taler, 28 Silbergroschen und 10 Pfennige betrugen seinerzeit die Kosten für das in Weimar gefertigte Kreuz. Mehrmals musste es im Laufe der Jahre wegen nötiger Reparaturarbeiten kurzzeitig abgenommen werden. Aufgrund seiner exponierten Lage entstanden damals wie heute witterungsbedingte Schäden am Bergfried und am Kreuz. In den Jahren 1898/1902 erhielt es eine elektrische Beleuchtung, mit der die Zeitgenossen das Wahrzeichen weithin sichtbar erstrahlen lassen konnten (Abb. 3). Für feierliche Anlässe bildete dies einen festlichen Höhepunkt, jedoch auch für die nationalistische Vereinnahmung der Wartburg, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders während des Ersten Weltkriegs. So erschienen zahlreiche Gedichte auf das Wartburgkreuz, das zur Signalgebung oder zur Verkündung von Siegen der deutschen Truppen im Kampf angestrahlt worden sein soll.
Der Instrumentalisierung der Wartburg durch die Nationalsozialisten fiel das Kreuz auf dem Bergfried zeitweise sogar ganz zum Opfer. Am 10. April 1938, anlässlich der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, ließ es der NSDAP-Kreisleiter Köhler entfernen und an seiner Stelle ein großes Hakenkreuz montieren (Abb. 4). Nach nur vier Tagen wurde – wohl auf massiven öffentlichen Druck hin – die Entscheidung jedoch revidiert und das alte lateinische Kreuz wieder auf dem Bergfried installiert. Ende November 1944 erteilte schließlich der thüringische Reichsstatthalter Fritz Sauckel den Befehl, das Kreuz erneut zu entfernen. Es wurde demontiert und auf den Burghof geworfen. Stark verbogen und teilweise zerstört konnte es nach dem Krieg jedoch vom Eisenacher Kunstschmied Günther Laufer, der seine Arbeitsleistung unentgeltlich zur Verfügung stellte, wiederhergestellt und auf dem Bergfried angebracht werden. Zur Lutherfeier am 10. November 1946 wurde das wiederhergestellte christliche Wahrzeichen feierlich eingeweiht.
Auch im Zuge der Vorbereitungen zur 900-Jahrfeier der Wartburg im Jahre 1967 wurde das Kreuz gründlich überholt und die Vergoldung erneuert. Längst war die Wartburg zum Prestigeobjekt des SED-Regimes geworden und zu dieser besonders inszenierten Feier sollte sie als Symbol für die vermeintliche Überlegenheit der DDR gegenüber dem kapitalistischen Westen hell erstrahlen (Abb. 5). Als 1994 die Vergoldung nochmals erneuert wurde, wehte schon vier Jahre lang die Fahne des wiedervereinten Deutschland auf der Plattform des Bergfrieds, unmittelbar neben dem Kreuz. Und 2008 fand schließlich mit der Erneuerung der Unterkonstruktion und einer erneuten Vergoldung die letzte große Maßnahme statt.
Der Bergfried war im 20. Jahrhundert immer wieder mit Flaggen verschiedener politischer Systeme, theatralischer Beleuchtung und Lautsprechern für Veranstaltungen eingedeckt worden – zahlreichen Elementen, die das Kreuz und seine Bedeutung überlagerten. Seit 1990 jedoch wirken der Turm und sein goldenes Symbol auf der Spitze, mit der tiefer stehenden deutschen Fahne gemeinsam, wieder ganz schlicht und ursprünglich (Abb. 6). Das Kreuz thront wieder wirkmächtig als christliches Zeichen über einer bedeutsamen Erinnerungsstätte , wie wohl zur Einweihung 1859 beabsichtigt. Und so haben es die zahlreichen Besucherinnen und Besucher der Wartburg – ob gläubig oder nicht – vermutlich auch am liebsten.
Abbildungsunterschriften und -nachweise:
Abb. 1: Der Bergfried der Wartburg mit Kreuz und Fahne nach Süden, Wartburg-Stiftung, Foto Rainer Salzmann
Abb. 2: Blick in den zweiten Burghof der Wartburg von Norden mit fertiggestelltem Bergfried und provisorischem Kreuz, anonym, 1857, Fotografie, Pinsel in Braun und Grau, laviert, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Map_01_012
Abb. 3: Postkarte mit Ansicht der Wartburg und erleuchtetem Wartburgkreuz bei Nacht, Verlag: Raphael Tuck & Sons, Berlin, 1907, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Postkarten, Nr. 880
Abb. 4: Der Bergfried der Wartburg mit Hakenkreuz, 11.4.1938, Fotografie, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Abz_02_0218
Abb. 5: Blick auf den Bergfried von Norden, Juni 1954, Wartburg-Stiftung, Fotothek, Inv.-Nr. Abz_113-54
Abb. 6: Luftbildaufnahme des Kreuzes von Süden, Wartburg-Stiftung, Foto Rainer Salzmann