Skulptur des Gottvertrauens im Festsaal der Wartburg Hugo von Ritgen (Entwurf), Konrad Knoll (Modell), Eiche geschnitzt

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Skulptur des Gottvertrauens im Festsaal der Wartburg
Skulptur des Gottvertrauens im Festsaal der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek, R. Salzmann

Florian Stahl, Gästeführer auf der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Februar 2023 vor:

„Wenn ich beim Rundgang durch den Palas der Wartburg den Gästen den großen Festsaal zeige und seine Ausstattung und deren Bedeutung erläutere, wandert mein Blick oft zu den geschnitzten Skulpturen an der Ostseite. Unter den vielen Figuren in Mensch- und Tierformen steht auch die Figur des Baumeisters, der stolz das Modell der Wartburg auf der Hand trägt. Dieser Baumeister trägt die Gesichtszüge des Architekten Hugo von Ritgen, nach dessen Entwürfen die Wartburg im 19. Jahrhundert erneuert und restauriert wurde. Er ist mein Lieblingsobjekt des Monats Februar 2023.“

Galerie

  • Skulptur des Gottvertrauens im Festsaal der Wartburg
    Skulptur des Gottvertrauens im Festsaal der Wartburg, Wartburg-Stiftung, Fotothek, R. Salzmann
  • Entwurf für den elften Binder der Festsaaldecke (Gottvertrauen)
    Entwurf für den elften Binder der Festsaaldecke (Gottvertrauen), Hugo von Ritgen, 1852, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. BE0226
  • Der Festsaal im Palas der Wartburg nach Norden
    Der Festsaal im Palas der Wartburg nach Norden, Fotografie, Wartburg-Stiftung, Fotothek, R. Salzmann

Hugo von Ritgen ist uns in den Objekten des Monats schon häufiger begegnet, denn zahlreiche Bauten (wie das Ritterbad), aber auch Raumausstattungen, Möbel und Skulpturen (wie der Drache an der Treppe zum Sängersaal) gehen auf die Entwürfe des Architekten und Universitätsprofessors aus Gießen zurück. Der große Festsaal gehört zu den bedeutendsten Arbeiten des Wartburgarchitekten, denn er hat nicht nur die äußere Architektur der obersten Etage erneuert und die eindrucksvolle Kassettendecke in Trapezform entworfen, sondern auch das Programm für die Malereien, Skulpturen und die Ausstattung des Saales geschaffen.

Hugo von Ritgen hat für seine Entwürfe umfangreiche Studien betrieben und sich ganz besonders mit der Symbolik der christlichen Kunst beschäftigt. Für ihn war zunächst klar, dass auch ein mittelalterliches Wohn- und Residenzgebäude mit christlichen Motiven geschmückt worden war. Nach dieser Idee hat er beispielsweise die originalen Kapitelle des Wartburgpalas gedeutet, und diese Idee hat er auch zur Grundlage für das Raumprogramm des Festsaals gemacht. Für Ritgen sollten zwei bedeutende Themenkreise den Raum beherrschen: zum einen die landgräflichen Ahnen als christliche Ritter, zum anderen die Entwicklung des Christentums und sein Sieg über das Heidentum. Der für die Malereien und Teppichentwürfe beauftragte Maler Michael Welter ist Ritgens Konzept konsequent gefolgt. An den Stirnseiten und der westlichen Galeriewand erblicken wir heute die Landgrafen von Thüringen als christliche Ritter, angeführt von Karl dem Großen als Begründer des Geschlechts an der Südwand und begleitet von der bedeutendsten Frau der Wartburggeschichte, der heiligen Elisabeth an der Nordseite des Raums. Für die Darstellung des Siegeszugs des Christentums hat der Architekt die geschnitzten Skulpturen zum Ausgangspunkt gemacht, die die 16 Deckenbinder an der Fensterseite des Saales schmücken. Im Süden bei der Bühne beginnt das Programm mit den symbolischen Darstellungen der Sünde und Lasterhaftigkeit, des antiken und germanischen Heidentums, hauptsächlich in der Form von Tieren. Beim Mittelkamin beginnt der Sieg des Christentums. Der Baumeister ist rechts und links umgeben von den Personifikationen der Hoffnung und des Glaubens in Gestalt von zwei jungen Frauen. Er selbst symbolisiert das Gottvertrauen, begleitet von dem Spruchband TURRIS FORTISSIMA DEUS MEUS, der lateinischen Übersetzung des lutherischen Kirchenliedes „Einʼ feste Burg ist unser Gott“.

Vielleicht hat Ritgen beim Entwurf, als er dieser Figur 1852 das Burgmodell in die Hand gegeben hat, schon insgeheim an sein Porträt gedacht oder darauf gehofft? Nachdem der beauftragte Bildhauer Konrad Knoll dem Modell für die Figur 1854 die gut erkennbaren Gesichtszüge von Hugo von Ritgen gegeben hat, muss er es mit der Angst zu tun bekommen haben. In einem Schreiben an Großherzog Carl Alexander hat sich Knoll entschuldigt, denn ihm war bewusst geworden, dass eigentlich der Bauherr oder Stifter eines Bauwerks mit dem Modell dargestellt werden müsste. Offenbar hatte der Großherzog jedoch nichts gegen das Porträt seines Architekten und so wurde die Skulptur ausgeführt. Ritgen schreibt in seinem Wartburgführer sogar, die Statue sei auf besonderen Wunsch des Burgherrn gefertigt worden. Dass sie ihn selbst darstellt, darüber verrät er freilich nichts. Wie stolz er auf „sein“ Werk gewesen sein muss und wie wichtig ihm die Erklärung der vielschichtigen Bedeutungen jedes einzelnen Details gewesen ist, hat sein Freund, der Wartburgkommandant Bernhard von Arnswald, in seinem Tagebuch aufgezeichnet. Als Hugo von Ritgen im Januar 1859 Gäste durch den Palas der Wartburg geleitete, notierte er: „Gut gerüstet mußten die hohen Gäste freilich meinem Freund v. R. folgen; denn diesmal drohte er ihnen mit dem ganzen Umfang der Symbolik, u. unter 3 ½ Stunden war keine Aussicht auf Rückkehr.“ Als sich Arnswald doch schon nach einer Stunde bei einem der Fremdenführer nach dem Verbleib der Herrschaften erkundigte, hörte er, Herr von Ritgen sei noch immer mit der Symbolik im großen Festsaal beschäftigt und es würde wohl noch eine ganze Weile dauern…

Die Skulptur des Baumeisters und das facettenreiche Programm des Festsaals sind im Rahmen eines Rundgangs durch den Palas während der Öffnungszeiten oder bei einer der zahlreichen Veranstaltungen zu besichtigen.

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