Piqueur- oder Parforcehorn Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232

Zurück

Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232
Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232

Michael Jacobs, als Magazinmeister zuständig für die Kunstsammlung der Wartburg, stellt sein Lieblingsobjekt des Monats Juni 2020 vor:

In der Ausstellung „Im Bann des Genius Loci – Die Wartburg und die Musik“, die sehr eindrucksvoll die intensiven Verknüpfungen der Wartburg mit der Musik vom hohen Mittelalter bis hin zu moderner Musik in verschiedensten Facetten dokumentiert, lenkt ein Jagdhorn die Aufmerksamkeit auch auf ein musikalisches Randgebiet: die Wartburg, die durch ihre Lage in bergig-bewaldeter Umgebung als Jagdschloss genutzt und somit eine Pflegestätte waidmännischen Brauchtums und Musik wurde.“

Galerie

  • Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232
    Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232
  • Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232
    Piqueur- oder Parforcehorn, Christoph Wilhelm Liebel, 1799, Messing, Wartburg-Stiftung Kunstsammlung, Inv.-Nr. KW0232

Bei den vergleichsweise wenigen Musikinstrumenten, die in den Sammlungen der Wartburg-Stiftung bewahrt und ausgestellt sind, handelt es sich fast ausschließlich um auserlesene Schätze ihrer Art, die nicht nur in Fachkreisen hochberühmt sind – als Beispiel wären die reich mit Intarsien verzierte, spätgotische Harfe oder die um 1450 von Hanns Ott gebaute, lautenähnliche Quinterne mit dem filigran geschnitzten Schallloch zu nennen.

Weniger bekannt sind zwei Parforce- oder Piqueurhörner, von denen eines in der aktuellen Sonderausstellung ein Objekt von hohem Schauwert ist und daran erinnert, dass auf der Burg jahrhundertelang zur Jagd geblasen wurde, und zwar auf diversen Hörnern. Schon 1521/22 beispielsweise, als Martin Luther sich hier unter dem Decknamen Junker Jörg als Ritter verbarg, wurde er vom Burghauptmann Hans von Berlepsch, der in die wahre Identität seines Gefangen eingeweiht war, zur Jagd eingeladen, was Luther jedoch sehr verhalten freute. Er hätte wohl die Jagd am liebsten abgeblasen, wenn er gekonnt hätte. In einem Brief beschrieb er „jenes bittersüße Rittervergnügen […] für Leute, die nichts zu tun haben […].“

Auch um 1800 wurde der fürstlichen Jagd der (Groß)herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach in den Wäldern um die Wartburg leidenschaftlich gefrönt – allerdings sind dabei Parforce-Jagden als Hetzjagden, auf schnellen Pferden und mit vielen Hunden, zu denen man weites, freies Gelände braucht, eher in den anderen Gebieten des Herzogtums vorstellbar.

Das Piqueurhorn auf der Wartburg ist auf dem Schalltrichter umlaufend graviert mit fünf gekrönten, kursächsischen Wappen sowie der zweizeiligen Inschrift: „GEMACHT C.W.LIEBEL HOF INSTRUMENT MACHER IN DRESDEN ANNO 1799“. Damit fiele das Instrument in die Regentschaft des jagdbegeisterten Herzogs Carl August. Es gehörte zu den Zeughausbeständen, die im Jahre 1801 aus Weimar auf die Wartburg überführt worden sind.

Die Begriffe Parforce- oder Piqueurhorn werden synonym verwendet und haben beide französischen Ursprung. Ein Pikör (franz. Piqueur) ist der Meuteführer, der die Hundemeute vom Pferd aus mit einer sogenannten Hetzpeitsche lenken und gut einhändig reiten musste.

Das Blasen auf Tierhörnern hat eine über tausendjährige Vergangenheit. Auf den relativ kurzen Hörnern vermochte man kaum mehr als zwei Töne zu blasen. Sie wurden am Gürtel, klein und handlich, mitgeführt. Erst mit der Herstellung „künstlicher Hörner“ aus Blech konnte man längere Instrumente anfertigen, auf denen mehr Töne in größerem Tonumfang angeblasen werden, und neben ihrer eigentlichen Signalfunktion entwickelten sie sich mehr und mehr zu Musikinstrumenten.

Die Stimmung des vorgestellten Horns ist in Es. In höheren Lägen liegen die Töne zunehmend dicht beieinander und es wird möglich, Melodien zu spielen. Bei diesen ventillosen Hörnern werden Klang und Tonhöhe allein durch die Lippenspannung variiert. Die engen Trichtermundstücke mit sehr schmalem Rand bargen die Gefahr für weniger routinierte Bläser, dass sie sich ihre Lippen mit der Zeit blutleer drückten und für eine Weile ihren Ansatz verloren. Es ist überliefert, dass die Hornisten des 17. und 18. Jahrhunderts sich ihre Lippen aufschnitten und vernarben ließen. Derart verhornte Hornisten konnten ausdauernder und kräftiger blasen, verloren jedoch ihr Vermögen zu weicherer, wohlklingenderer Intonation.

Piqueurhörner sind in einem großen Durchmesser zwei- oder dreifach gewickelt und können so während des Reitens über eine Schulter umgehängt werden. Zum Blasen genügt es, das Instrument mit einer Hand zu halten; sicher war eine zweite Hand nützlich, um nötigenfalls ein durch die Musik wie auch immer angeregtes tänzelndes Pferd im Zaum zu halten. Die Beulen am Piqueurhorn auf der Warburg drängen Mutmaßungen auf, dass das musikalische oder das reiterische Vermögen des Piqueurs, oder beides, zu wünschen ließen…

Das Piquer- oder Parforcehorn ist in der Sonderausstellung „Im Bann des Genius Loci – Die Wartburg und die Musik“ während der Öffnungszeiten des Museums zu sehen.

Zurück