Die Biblia Sacra, genannt Vulgata - Ende 15. Jahrhundert

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Biblia sacra, sogenannte Vulgata
Biblia sacra, sogenannte Vulgata, Vorrede zur Bibel, Kapitel 1, Ende 15. Jahrhundert, Druck, 29,3 x 22 cm, Wartburg-Stiftung, Bibliothek, Sig. Th 29, Foto: Wartburg-Stiftung, Fotothek

Clara Neumann, wissenschaftliche Volontärin der Wartburg-Stiftung, stellt ihr Lieblingsobjekt des Monats November vor:

„Unter den vielen Highlights der Sonderausstellung sticht für mich die Vulgata aus der Frühzeit des Buchdrucks besonders hervor. Der verzierte Band trägt mit seinen handschriftlichen Kommentaren einen Hauch der Vergangenheit in unsere Zeit.“

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  • Biblia sacra, sogenannte Vulgata
    Biblia sacra, sogenannte Vulgata, Vorrede zur Bibel, Kapitel 1, Ende 15. Jahrhundert, Druck, 29,3 x 22 cm, Wartburg-Stiftung, Bibliothek, Sig. Th 29, Foto: Wartburg-Stiftung, Fotothek
  • Blick in die Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ auf der Wartburg
    Blick in die Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ auf der Wartburg, Foto: Andreas Matthes/KOCMOC Exhibitions
  • Biblia sacra, sogenannte Vulgata
    Biblia sacra, sogenannte Vulgata, Brief des Jakobus mit handschriftlichen Anmerkungen, Wartburg-Stiftung, Bibliothek, Sig. Th 29, Foto: Andreas Matthes/KOCMOC Exhibitions

Die Biblia Sacra, genannt Vulgata, geht auf den hl. Hieronymus (347–420) zurück, der heute als Kirchenvater verehrt wird. Er übertrug Ende des 4. Jahrhunderts die hebräischen, griechischen und altlateinischen Schriften der Bibel ins Lateinische und schuf damit die zentrale Bibelausgabe für die katholische Welt. Seine Übersetzung entwickelte sich im Laufe des Mittelalters zur gängigen Textfassung der römischen Kirche, die sie 1546 als verbindliche Bibelausgabe für Theologie und Religionspraxis erklärte. Dabei steht der lateinische Name Vulgata für verbreitet, allgemein. Sie lag zu Luthers Zeit in verschiedenen Versionen vor, blieb jedoch stets der lateinkundigen Minderheit vorbehalten. Auch Luther studierte die Vulgata während seiner Mönchszeit im Erfurter Augustinerkloster eifrig. Obwohl er später das Neue Testament aus dem griechischen Urtext ins Deutsche übersetzen sollte, bildete die Biblia Sacra für ihn eine immens wichtige Grundlage. Bis heute bildet das Werk des Hieronymus – seit 1979 als Nova Vulgata – die maßgebliche Bibelausgabe für die römisch-katholische Kirche.

Das Exemplar der Wartburgbibliothek ist eine Inkunabel, auch Wiegendruck genannt. Es wurde im späten 15. Jahrhundert gedruckt, als der Buchdruck sprichwörtlich noch in der Wiege lag, wobei zahlreiche Ähnlichkeiten zu den handschriftlichen Vorgängern bestehen. Der Übergang von Mittelalter zu Neuzeit, von kunstvollen und durch das handschriftliche kopieren oft unerschwinglichen und überaus wertvollen Codices zu gedruckten, bald schon in großen Auflagen hergestellten und damit preiswerteren Büchern, verschwimmt in diesem Band. Der zweispaltige Druck war typisch für diese Zeit, und der Text weist mehrere Schmuckelemente auf, die man auch in handschriftlichen Büchern findet: Die übergroßen Zierinitialen (Großbuchstaben am Textbeginn) und Versalien (nach links ausgerückte Großbuchstaben am Satzanfang) sowie die Rubrizierungen (Einfärbung von Buchstaben) schmücken den Band. Dieses Buch sticht jedoch auch durch weitere Merkmale heraus: Die handschriftlichen Eintragungen an den Seiten sind stillschweigende und gleichzeitig aussagekräftige Zeugen dafür, dass der oder die Besitzer die Vulgata eifrig für das private Bibelstudium nutzte und die Gedanken und Kommentare dabei schriftlich festhielt. Auch Jahrhunderte nach dem Tod ihres Besitzers hat somit ein Teil von ihm überdauert.

Hieronymus indes hatte bei der Übertragung der Texte noch mit ganz anderen Widrigkeiten zu kämpfen. Gestaltete sich das Ringen um die bestmögliche Übersetzung zwischen Wort-zu-Wort- und Sinn-zu-Sinn-Übertragung bereits als eine große Hürde, so sah er sich, wie später auch Luther, mit seinem Werk zahlreichen Kritikern gegenüber. So vermerkte er im Prolog zur Übersetzung des Buches Hiob, 392/93: „Bei jedem einzelnen Buch der göttlichen Schrift sehe ich mich gezwungen, den Schmähungen meiner Gegner entgegenzutreten, die mir vorwerfen, mit meiner Übersetzung würde ich die Siebzig Übersetzer in Frage stellen.“ Die Übersetzung der biblischen Texte war und ist kein leichtes Unterfangen, bilden sie doch das zentrale Fundament des Christentums.

Präsentiert wird die Vulgata momentan gemeinsam mit vielen anderen herausragenden Objekten in der Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ im Museum der Wartburg. Neben allerhand Bezügen zu sprachlichen, theologischen und gesellschaftlichen Aspekten von Luthers Bibelübersetzung, und in der medial aufbereiteten Historie der Bibelübersetzung von griechischen Handschriften bis zur Offenen Bibel im World Wide Web des Jahres 2022, steht sie hier in direkter Zwiesprache mit Luthers Septembertestament als herausragendes Kulturgut, das die europäische Kulturgeschichte maßgeblich prägte.

Aufgrund des großen Zuspruchs wurde die Exposition im Museumsbereich bis zum 8. Januar 2023 verlängert, die Vulgata ist also während der Öffnungszeiten zu besichtigen.

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